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43 Wellis in Not (Aktion abgeschlossen)
Am 6. September 2005 wurden in der Ruhrgebietsstadt Dortmund 43 Wellensittiche aus der Obhut eines Halters übernommen. Die Mitarbeiter der Tierschutzorganisation Arche 90 e. V. waren im Vorfeld kontaktiert worden und hatten die Vögel aus der Wohnung des Mannes geholt, der seine Tiere laut eigener Aussage hatte abgeben müssen, weil sich die Nachbarn offenbar über seine Tierhaltung beschwert hatten. Es sei auch sehr anstrengend gewesen, so viele Vögel zu halten, hatte er eingeräumt. Ursprünglich hatte er mit rund 200 Wellensittichen zusammengelebt, von denen er letztlich zehn Tiere behalten hat. 43 seiner Abgabevögel hatte er der Arche 90 übergeben wollen.
Weil die 43 Tiere fast alle körperlich behindert waren und eine Vermittlung dadurch sehr schwierig erschien, war ein Kontakt zwischen Arche 90 und Annette Dau, die ihrerseits über ihre Bekannte Carolin Woelk den damals noch existierenden Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland e. V. mit einbezog, denn Carolin war damals ebenso wie ich Mitglied in diesem Verein. Sie informierte mich über die Situation, die sehr schwierig erschien. Bei uns in den privaten Haltungen hätten wir die vielen Vögel nicht unterbringen können. Deshalb entschied ich, eine Essener Tierschützerin mit einzubeziehen, die ebenfalls helfen wollte und die damals ehrenamtlich im Essener Tierheim arbeitete. Somit waren letztlich mehrere Tierschutzorganisationen mit dem Fall betraut, was aber durchaus sinnvoll war, denn es war keine alltägliche Inobhutnahme.
Gemeinsam mit der Essener Tierschützerin fuhr ich nach Dortmund, wo wir Carolin Woelk trafen. Zu dritt nahmen wir die in vier sehr dreckigen Käfigen sitzenden Vögel von den Arche-90-Mitarbeitern entgegen. Die folgenden Anblicke boten sich uns bei der Übernahme:
Der ehemalige Besitzer hatte die Vögel im Freiflug in seiner Wohnung gehalten. Dazu gehörte auch, dass die Tiere hatten brüten dürfen. Ihm war seiner eigenen Aussage zufolge nicht bewusst, dass er eine ansteckende Virusinfektion in seinem Vogelbestand hatte. Vielmehr hatte er einen Erbdefekt infolge von Inzucht für den Auslöser der bei vielen Tieren auftretenden Befiederungsstörungen gehalten. Hinzu kam, dass es für ihn schwierig geworden war, die vielen Tiere allesamt aufmerksam im Blick zu behalten – bei etwa 200 Wellensittichen ist das sicherlich extrem schwierig. Damit wäre wohl fast jeder überfordert. Und dass der Mann nichts über die Virusinfektion gewusst hatte, dürfte den schlechten Zustand vieler seiner Tiere erklären.
Der Herr habe bitterlich geweint, als ihm die Vögel abgenommen wurden, berichteten die Arche-90-Mitarbeiter. Er habe es sicherlich sehr gut mit seinen Tieren gemeint, das Ganze sei jedoch völlig aus dem Ruder gelaufen. Wir waren fassungslos angesichts dieser traurigen Entwicklung und beschlossen, die Vögel umgehend zu einem erfahrenen Tierarzt zu bringen, damit sie möglichst schnell versorgt werden konnten. Ein Anruf bei dem Arzt genügte, und er warf seine gesamte Planung für den restlichen Tag über den Haufen. Die Mittagspause ließ er ausfallen und empfing stattdessen unsere 43 neuen Schützlinge. Ein Großteil seiner Nachmittagssprechstunde fiel dadurch ebenfalls aus und Termine mit anderen Patientenbesitzern wurden kurzfristig abgesagt. So hatte er viel Zeit für die armen Vögel, die er sich genau anschaute. Wir waren ihm und seinem Praxisteam unendlich dankbar für seine unkomplizierte und schnelle Hilfe.
Im Folgenden sind einige Beispiele zu sehen, die den teils desolaten Gesundheitszustand der Vögel belegen.
„Die Tiere leiden ganz sicher an einer virusbedingten Gefiederstörung.“ Diese niederschmetternde Diagnose des Arztes hatten wir zwar bereits selbst für wahrscheinlich gehalten, weil der Gefiederzustand der meisten Vögel erbärmlich war. Trotzdem waren wir nicht erfreut über diese Mitteilung beziehungsweise über die Bestätigung unserer schlimmsten Befürchtungen. Es war zu jenem Zeitpunkt somit bereits relativ sicher, dass sämtliche 43 Wellensittiche an der Französischen Mauser, bedingt durch den Polyoma-Virus, oder an der Krankheit PBFD leiden, für deren Auftreten Circoviren verantwortlich sind. Dabei war nicht einmal auszuschließen, dass möglicherweise sogar beide Erkrankungen vorliegen würden. Somit hatten wir es mit Tieren zu tun, die einerseits schwer krank waren und andererseits nur unter größtem Aufwand zu vermitteln sein würden.
Um die Tiere in die Vermittlung nehmen zu können, brauchten wir Gewissheit. Sofort wurde bei allen 43 Vögeln Proben entnommen und zu einem DNA-Test eingeschickt, spätestens in der 37. Kalenderwoche 2005 sollten die Ergebnisse vorliegen. Nach dem Tierarztbesuch wurden die Vögel in einen Quarantäneraum in Essen gebracht. Dort haben die Tierschützerin und ich die Wellensittiche in behindertengerecht eingerichtete und vor allem saubere Käfige gesetzt. Die schwer erkrankten Vögel – einer litt an einer allgemeinen bakteriellen Infektion und ein zweiter an einer akuten Atemwegsinfektion – haben zusammen mit dem am Auge verletzten Sittich einen separaten Käfig erhalten, in dem sie viel Ruhe hatten. Sie wurden zur Unterstützung ihrer Genesung mit einer Wärmelampe bestrahlt.
Selbstverständlich erhielten die Vögel auch sofort abwechslungsreiches Futter und Wasser, ein paar Leckereien gab es selbstverständlich ebenfalls. Die Sittiche wurden in den folgenden Wochen von mehreren Tierschützern bestens versorgt. Wir alle warteten damals gespannt auf die Testergebnisse, die über das Schicksal der Wellensittiche entscheiden sollten. Obwohl sie fast alle nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprachen, so haben sie mein Herz damals im Sturm erobert. Einige der Vogel haben in dem Quarantäneraum durch das Käfiggitter mit mir „geflirtet“ und ich hätte sie am liebsten alle eingepackt und mitgenommen. Aber das war bedauerlicherweise nicht möglich, denn so viele Tiere hätte ich in meinem Vogelzimmer unmöglich unterbringen können – von den möglichen Erkrankungen einmal abgesehen.
So ging es weiter
Nachdem wir wussten, an welcher Viruserkrankung die Vögel litten (es war PBFD), konnten wir dazu übergehen, die Vögel unter Berücksichtigung der erforderlichen Quarantäne- und Unterbringungsauflagen zu vermitteln. Damals war es ein Kraftakt, die vielen Tiere medizinisch versorgen zu lassen und ein Zuhause für sie zu finden. Es wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen, denn allein die Kosten für die vielen Labortests, die wegen der potenziell vorhandenen Virusinfektionen nötig waren, haben eine Menge Geld verschlungen.
Weil sich im Jahr 2005 sehr viele Menschen solidarisch gezeigt und uns mit Spenden für die Vögel unterstützt haben, gab es damals eine regelmäßige Berichterstattung für diese tierlieben Vogelfreundinnen und -freunde.