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Krankengymnastik
Eine Reihe von Erkrankungen kann dazu führen, dass Vögel ihre Gliedmaßen, zum Beispiel die Beine oder Flügel, nicht mehr so gut bewegen können wie zuvor. Zu den Auslösern gehören gesundheitliche Probleme infolge von Mangel- und Fehlernährung sowie Unfälle, schlaganfallähnliche Erkrankungen und neurologische Krankheiten. Erschlaffte oder zurückgebildete Muskulatur – der Tierarzt spricht hierbei von atrophierten Muskeln – oder Schädigungen an Nervensträngen führen zu verschiedenen Beeinträchtigungen, die von leichten Störungen im natürlichen Bewegungsablauf bis hin zu schweren Lähmungen reichen können. Folgende Ursachen für entsprechende motorische Einschränkungen treten bei Ziervögel vergleichsweise häufig in Erscheinung:
- Rachitis
- Hüftschäden
- Knochenbrüche
- Schlaganfallähnliche Erkrankungen
- Vergiftungen
- Vitaminmangel
- Tumoren, die auf Nerven drücken
- Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS), zum Beispiel aufgrund von Paramyxoviren
Zeigt ein Vogel plötzlich schwere Lähmungserscheinungen oder Bewegungsstörungen, so muss umgehend ein vogelkundiger Tierarzt zurate gezogen werden! Erst nachdem eine sichere Diagnose gestellt und eine wirksame Therapie eingeleitet worden ist, sollte man in Absprache mit dem Tierarzt gymnastische Übungen, die mit dem Vogel durchgeführt werden, in Betracht ziehen. Niemals sollte ein Tierhalter krankengymnastische Übungen ohne vorherige Absprache mit dem behandelnden Tierarzt durchführen. Es ist unbedingt erforderlich, sich grundsätzlich an die Anweisungen des Arztes zu halten. Erst nachdem der Tierarzt sein Einverständnis zum Durchführen der in diesem Kapitel gezeigten Übungen oder anderer Varianten des Trainings erklärt hat, darf damit begonnen werden.
Es empfiehlt sich außerdem, die Übungen ausschließlich mit zahmen Vögeln durchzuführen. Anderenfalls riskiert man einen tödlichen Schreck, wenn sich das erkrankte Tier davor fürchtet, in die Hand genommen oder berührt zu werden. Außerdem sollten die Vögel die hier vorgestellten Übungen stets über einer weichen Unterlage durchführen, damit sie sich nicht verletzen, falls sie abstürzen. Besonders gut geeignet sind große, weiche Kopfkissen, über die man eine schützende Decke legt, die so beschaffen sein sollte, dass der trainierende Vogel beim Laufen nicht mit seinen Krallen darin hängen bleiben kann. Frotteehandtücher sind somit für kleine Ziervögel wie zum Beispiel Wellensittiche nicht als Trainingsunterlage geeignet.
Beispiel 1: Fuß- und Beintraining mit Katharinasittich Boris
Die folgenden Fotos des Katharinasittich-Männchens Boris zeigen, wie krankengymnastische Übungen für Vögel mit Bewegungsstörungen in den Füßen und Beinen aussehen können. Boris litt an einer Vergrößerung der inneren Organe wie der Leber, sodass einige Nervenstränge im Bereich der Wirbelsäule gequetscht worden waren. Infolgedessen kam es bei Boris zu krampfartigen Lähmungserscheinungen in beiden Füßen, seine Zehen waren in der typischen „Kusshandstellung“ verkrampft. Das Laufen fiel ihm schwer, weshalb seine Halterin mit ihm die unten gezeigten Übungen durchführte, um die Füße zu entkrampfen und die Zehen wieder in die Normalstellung zu bringen. Dies ist vergleichsweise schnell gelungen, weil der Vogel eifrig an den Übungen teilgenommen hat und so genesen konnte.
Beispiel 2: Wellensittich Indira mit Spreizbeinchen
Das junge Wellensittich-Weibchen Indira hatte Pech. In ihrem ehemaligen Zuhause haben die Menschen nicht aufgepasst und ihre Eltern auf einem glatten Untergrund zur Brut schreiten lassen. Weil es keine Nistmulde gab, hat das Gewicht ihrer Mutter sie so stark nach unten gedrückt, dass Indiras Hüften geschädigt wurden. Als der junge Vogel in meine Obhut gelangte, standen beide Beine seitlich ab und in den Füßen hatte Indira so gut wie keinen Greifreflex. Sie lag ständig auf dem Bauch und ruderte manchmal unbeholfen mit den damals noch nutzlosen Beinen. Zum Glück ließ sich dies dank der im Folgenden gezeigten krankengymnastischen Übungen innerhalb weniger Wochen sehr gut behandeln und Indira konnte später aus eigener Kraft aufrecht stehen. Dabei zeigte sie zwar nach wie vor eine leichte Fehlstellung der Beine, aber sie hat deutlich an Lebensqualität gewonnen.