Schlaganfallähnliche Erkrankungen

Achtung: Die auf Birds-Online.de angebotenen Texte und Bilder rund um das Thema Erkrankungen von Vögeln sind als Informationsquelle gedacht. Bitte bringen Sie Ihre erkrankten Vögel immer schnellstmöglich zu einem fachkundigen Tierarzt!
Der rechte Flügel und das rechte Bein dieses Vogels sind seit einer schlaganfallähnlichen Erkrankung gelähmt.
Der rechte Flügel und das rechte Bein dieses Vogels sind seit einer schlaganfallähnlichen Erkrankung gelähmt.

Bei Vögeln können Erkrankungen auftreten, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, wie sie durch Schlaganfälle beim Menschen ausgelöst werden. Echte Schlaganfälle sind bei Vögeln bislang meines Wissens nicht nachgewiesen worden. Doch es gibt anfallartige neurologische Störungen, die ein schnelles Eingreifen des Menschen erforderlich machen, auch wenn die eigentlichen Ursachen sich von denen echter Schlaganfälle beim Menschen unterscheiden. Trotz der Tatsache, dass Schlaganfälle bei Vögeln vermutlich nicht vorkommen, sprechen viele Tierärzte in Verbindung mit bestimmten Erkrankungen von einem Apoplex (Schlaganfall). Meist sind von einer solchen schlaganfall-ähnlichen Erkrankung vor allem alte Wellensittiche, Nymphensittiche oder Unzertrennliche (Agaporniden) betroffen. Sehr selten erleiden junge Individuen der genannten Vogelarten einen Schlaganfall. Darüber hinaus können Individuen weiterer Vogelarten betroffen sein.

Was ist ein Schlaganfall beim Menschen?

Grob vereinfacht ausgedrückt, lösen bei Menschen winzige Blutungen beziehungsweise Blutgerinnsel, die sich im Gehirn festsetzen, einen Schlaganfall aus. Je nachdem, welches Areal des Gehirns eines Patienten betroffen ist, wirkt sich der Hirnschlag unterschiedlich auf ihn aus. Da ein solches Gerinnsel die Durchblutung des umliegenden Bereichs vermindert oder komplett unmöglich macht, erleidet die betroffene Hirnregion einen Mangel an Sauerstoff, was nicht selten zum sofortigen Tod der Zellen führt. Schwere motorische Störungen bis hin zu Lähmungen sind die Folge eines solchen Sauerstoffmangels des Gewebes. Ferner können weitere Probleme wie zum Beispiel Sprachstörungen auftreten. Bei Menschen gilt: Je schneller gehandelt wird, desto höher sind die Genesungschancen für den Patienten. Es wird meist versucht, innerhalb von weniger als sechs Stunden eine Diagnose zu stellen und die Therapie einzuleiten.

Symptome einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung beim Vogel

Dieses Wellensittichweibchen hat eine das Gehirn betreffende, schlaganfallähnliche Erkrankung erlitten.
Dieses Wellensittichweibchen hat eine das Gehirn betreffende, schlaganfallähnliche Erkrankung erlitten.

Oft geschieht es nachts, wenn der Vogel ruhig und entspannt ist. Ohne jede Vorwarnung kommt es zu starken körperlichen Ausfallerscheinungen, sodass der betroffene Vogel erschrickt und von der Stange fällt, wobei manche Tiere laut und panisch schreien. Häufigste Folgen eines solchen Anfalls sind halbseitige Lähmung, was darauf schließen lässt, dass entweder nur eine Gehirnhälfte von der eigentlichen Ursache der Erkrankung betroffen ist oder dass es sie stärker getroffen hat als die andere Hirnhälfte. Auch eine Erblindung kann infolge einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung einsetzen. Ist ein Bein infolge einer solchen Erkrankung gelähmt, so sind die Zehen meist zu einer kleinen Faust oder in der sogenannten „Kusshandstellung“ (alle Zehen liegen aufeinander und weisen nach vorn) fest verkrampft und gelähmt. Darüber hinaus kann eine Kopfschiefstellung auftreten. Der erkrankte Vogel liegt unmittelbar nach dem Anfall am Boden und ist verstört, orientierungslos oder völlig apathisch. Manche Tiere geraten hingegen regelrecht in Panik, weil sie nicht mehr richtig sehen können oder wegen der Lähmung ängstlich sind. Nur mit Mühe kann man als Vogelhalter sein Tier in einer solchen Situation beruhigen.

In den ersten Tagen nach dem plötzlichen Einsetzen der Symptome leiden viele der betroffenen Tiere an mangelndem Appetit, sodass die Vögel in dieser Zeit zu verhungern drohen. Insbesondere wenn eine starke Kopfschiefstellung vorliegt oder die Vögel durch die Erkrankung erblindet sind, ist das Risiko des Verhungerns sehr groß.

Erstellung einer sicheren Diagnose

Sollten Sie den Verdacht hegen, dass Ihr Vogel an einer schlanganfall-ähnlichen Krankheit leidet, müssen Sie ihn schnellstmöglich einem fachkundigen Tierarzt vorstellen. Das gilt auch in der Nacht oder am Wochenende beziehungsweise an Feiertagen. Falls kein vogelkundiger Tierarzt erreichbar sein sollte, ist es ratsam, einen notdiensthabenden Tierarzt aufzusuchen. Auch wenn dieser vielleicht nicht so intensiv helfen kann wie ein Vogel-Facharzt, so ist im Fall einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung schnelles Handeln extrem wichtig. Jede noch so kleine Hilfe kann für den Vogel über Leben und Tod oder über eine Heilung beziehungsweise eine lebenslange Behinderung entscheiden.

Wichtig ist, dass der Arzt herausfindet, was genau zu den schwerwiegenden Symptomen führt. Hinter den schlaganfall-ähnlichen Erkrankungen kann eine Reihe unterschiedlicher Ursachen stecken, darunter Flüssigkeitsansammlungen im Gehirn (Hirnödeme), Hirnblutungen nach Kollisionsunfällen oder schwere Leberschäden, die zu einer schleichenden Vergiftung des Körpers geführt haben. Es ist in jedem Fall absolute Eile geboten, weil eine rasche Behandlung des Vogels dazu führen kann, dass er seine motorischen Fähigkeiten ganz oder zu weiten Teilen wieder erlangen wird.

Therapie nach dem Einsetzen der Erkrankung

Viele Ärzte behandeln Vögel nach dem Auftreten einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung mit Kortison, Cerebrum compositum (Heel, homöopathisches Präparat), mit einem hoch dosierten Vitamin-B-Komplex oder einer Kombination aus diesen Medikamenten. Auch kann es sein, dass eine Leberschutztherapie eingeleitet werden muss oder ein Antibiotikum verabreicht wird, falls ein Verdacht auf eine Hirnentzündung vorliegt.

Ein betroffener Vogel muss während der Genesungsphase insbesondere in der Anfangszeit möglichst viel Ruhe haben. Je nachdem, wie gut die Therapie anschlägt, ist der erkrankte Vogel nach wenigen Tagen über den Berg. Wird die Behandlung über Wochen fortgesetzt und zeigen die Medikamente keinerlei Wirkung, ist dem Tier vermutlich leider nicht mehr zu helfen. In diesem Fall sollten Sie darüber nachdenken, Ihren Vogel durch einen Tierarzt von seinen Qualen erlösen zu lassen, auch wenn das Einschläfern für Sie persönlich eine schreckliche Erfahrung ist. Wer sein Tier wirklich liebt, sollte im entscheidenden Moment dazu bereit sein, es gehen zu lassen, sofern es nur noch leidet und keine Chancen auf eine Heilung bestehen. Ein Vogel, der sich infolge einer schweren Lähmung nie mehr selbstständig ernähren können wird, dürfte sich in dieser Situation sicherlich nicht wohlfühlen.

Unterbringung der Patienten in der Akutphase

Da etliche Vögel in den ersten Tagen nach dem Eintreten schlaganfall-ähnlicher Symptime unter starken Störungen Ihres Gleichgewichtssinns sowie unter Umständen an Lähmungen leiden, sollte man Schaukeln aus dem Krankenkäfig entfernen; dasselbe gilt für Spielzeuge. Auch wackelige Sitzstangen sind für einen solchen Patienten keine geeignete Käfigeinrichtung. Bringen Sie stattdessen fest sitzende, breite Stangen, an denen sich keine „Stolperfallen“ befinden, möglichst niedrig im Käfig an. Liegebrettchen werden ebenfalls meist gern angenommen.

Sehr wahrscheinlich wird sich ein erkrankter Vogel in den ersten Tagen ohnehin nicht auf den Sitzstangen aufhalten können, falls er unter starken Gleichgewichtsstörungen oder Lähmungen leidet. Deshalb ist es wichtig, den Boden des Krankenkäfigs zu polstern, damit sich das Tier nicht verletzt, wenn es abstürzt. Als untere Schicht empfiehlt sich ein mehrfach gefaltetes Handtuch. Darüber folgt eine Schicht aus zwei bis drei Küchenhandtüchern, die aus glattem Leinen bestehen sollten. Die obere Schicht bildet eine Lage Küchenpapier, die man alle paar Stunden oder aber mindestens einmal am Tag austauschen sollte, damit der Vogel nicht in seinen eigenen Kotballen liegen muss.

Achtung
In einem Krankenkäfig für Patienten mit schweren Orientierungs- und Bewegungsstörungen darf nur ein kleiner Trinknapf zum Einhängen ins Gitter angebracht werden. Oder Sie bieten dem Vogel in einem sehr kleinen Napf Wasser auf dem Boden an. Stellen Sie dagegen niemals einen großen Napf auf den Boden des Käfigs, der kranke Vogel könnte darin ertrinken!

Was Sie sonst noch tun können

Kopfschiefstellung nach einer schlaganfallähnlichen Erkrankung bei einem Wellensittich.
Kopfschiefstellung nach einer schlaganfallähnlichen Erkrankung bei einem Wellensittich.

Vor allem in den ersten Tagen nach dem Einsetzen der Erkrankung ist es wichtig, dass ein betroffene Vogel genügend Nahrung zu sich nimmt. Reichen Sie ihm viele unterschiedliche Futtersorten sowie sein Lieblingsfutter. Je mehr Frischkost der Vogel frisst, desto besser, da sein Körper in der Genesungsphase einen erhöhten Vitaminbedarf hat. Als zusätzliches Futter eignet sich vor allem gekeimter Weizen, da dieses Getreide große Mengen Vitamin B enthält, und Vitamin B unterstützt die Heilung geschädigter Nerven.

Trinkwasserzusätze, die Vitamine enthalten, sind ebenfalls in den meisten Fällen eine gute Ergänzung der tierärztlichen Therapie. Meist stehen Tierärzten erheblich wirksamere Präparate zur Verfügung, die den im Handel frei verkäuflichen Mitteln weit überlegen sind. Sprechen Sie Ihren Arzt gezielt auf solche Vitaminpräparate an.

Viele Vögel, die eine ihr Gehirn betreffende Erkrankung erlitten haben, sitzen gern an einer warmen Stelle, weil sie frieren. Es kann je nach eigentlicher Ursache der Krankheit jedoch fatal sein, den betroffenen Tieren zu viel Wärme zuzuführen. Sie sollten einen solchen gefiederten Patienten niemals ohne vorherige Absprache mit Ihrem Tierarzt mit einer Rotlichtlampe bestrahlen. Durch die Wärme weiten sich die Blutgefäße, was vor allem im Gehirn zu einem Anstieg des Drucks und somit bei manchen Erkrankungen zu weiteren Schäden des Gewebes führen könnte. Besser ist es, den Krankenkäfig an einem warmen Ort, also beispielsweise in der Nähe eines Heizkörpers, aufzustellen. So hat es der Vogel angenehm warm, aber sein Kopf heizt nicht zu sehr auf.

Um die Beweglichkeit der gelähmten Gliedmaßen wiederherzustellen, kann es sinnvoll sein, mit dem Vogel krankengymnastische Übungen durchzuführen. Mit der Durchführung dieser Übungen sollte allerdings nicht zu früh begonnen werden, in der ersten Woche nach dem Einsetzen der Erkrankung braucht der betroffene Vogel meist absolute Ruhe! Außerdem ist es sinnvoll, sich die Übungen vom Tierarzt zeigen zu lassen.

Wichtig
Bitte sprechen Sie generell sämtliche unterstützende Maßnahmen, die Sie dem Vogel angedeihen lassen wollen, mit Ihrem Tierarzt ab. In manchen Fällen sind bestimmte Dinge schädlich für einen erkrankten Vogel. Deshalb ist es wichtig, bei einer so heiklen Erkrankung wie einem Schlaganfall nie in Eigenregie ohne Absprache mit dem Tierarzt zu handeln!

Das Leben nach dem Auftreten der Krankheit

Leider werden nicht alle gefiederten Patienten nach einer schlaganfallähnlichen Erkrankung wieder vollständig gesund. Bei einigen Tieren bleiben Hirnschäden und damit dauerhafte Einschränkungen zurück, die den Alltag eines Heimvogels dramatisch verändern können. Einige Vögel halten für den Rest ihres Lebens den Kopf schief, manche büßen ihre Flugfähigkeit ein, andere bleiben auf einem Auge blind und es kann geschehen, dass sie zeitlebens ein gelähmtes Bein zurückbehalten.

Es liegt in der Verantwortung des Halters und des behandelnden Tierarztes, sehr genau abzuwägen, ob ein betroffene Vogel aufgrund seines Handicaps überhaupt noch Lebensqualität hat oder ob er seinen Alltag nie mehr eigenständig meistern können wird. Sollte die Entscheidung positiv ausfallen, muss man sich als Vogelhalter unter Umständen auf einige bauliche Veränderungen im Umfeld des Vogels einstellen. Anregungen dazu finden Sie in der Rubrik „Vögel mit Handicap„.