Mycoplasmen
Es ist noch nicht allzu lange her, da galten Mycoplasmen im Bereich der Ziervogel-Medizin als vernachlässigbare Auslöser von Erkrankungen. Doch dank mehr Forschung und verbesserter Untersuchungsmethoden wurden mehr Erkenntnisse in diesem Bereich gewonnen. Seit geraumer Zeit wird bei Vögeln deshalb beim Auftreten bestimmter Symptome auch nach Mycoplasmen als mögliche Verursacher gesucht. Es handelt sich bei ihnen um winzige Bakterien, die keine Zellwand aufweisen. Deshalb sind sie mit einigen gängigen Antibiotika nicht zu behandeln, da deren Wirkung auf Prozesse abzielt, die die Zellwände anderer Bakterien betreffen.
Mycoplasmen, die je nach Literaturquelle auch in der abweichenden Schreibweise als Mykoplasmen bezeichnet werden, kommen in unterschiedlichen Klassen vor, siehe Erklärung bei Wikipedia.de. Innerhalb dieser Klassen existieren verschiedene Arten, von denen nach bisherigem Kenntnisstand nur zwei eine Rolle bei Erkrankungen von Vögeln spielen. Vor allem aus der Nutzgeflügelzucht und -haltung sind diese beiden Erreger bekannt, sie tragen die wissenschaftlichen Namen Mycoplasma gallisepticum und Mycoplasma synoviae. Bei Vögeln können Mycoplasmen Durchfälle und Erkrankungen der Atmungsorgane auslösen.
Symptome
Die durch Mycoplasmen verursachten Durchfälle verlaufen genauso wie durch andere Krankheitserreger hervorgerufene Erkrankungen, die mit der Ausscheidung stark verflüssigten Kotes einhergehen. Betreffen die Mycoplasmen die Atemwege, zeigen sich verschiedene Symptome. Aufgrund von Schwellungen der Schleimhäute und wegen der damit einhergehenden Schleimbildung können die betroffenen Vögel oft nur schlecht atmen. Trockenes Würgen (Würgen ohne Schleimauswurf) und hustenähnliche Geräusche begleiten häufig das schwere Atmen durch den geöffneten Schnabel. Es wirkt wie ein „Pumpen“ des gesamten Körpers, wobei der Schwanz stark wippt. Körperliche Anstrengung wie das Fliegen verschlimmert die Atembeschwerden. Mitunter tritt zudem anfallartiges Niesen mit feuchtem Nasenausfluss auf und manche Vögel übergeben sich, weil die Reizungen der Schleimhäute Brechreiz auslösen. Das Symptom Erbrechen tritt bei vielen weiteren Erkrankungen auf, allerdings in den meisten anderen Fällen nicht in Kombination mit Atembeschwerden.
Unter Umständen kann der Stimmkopf der Vögel, Syrinx genannt, ebenfalls von den Mycoplasmen geschädigt werden. Ist die Schleimhaut in dieser Körperregion gereizt und geschwollen, verursacht dies bei jedem Atemzug ein rasselndes bis pfeifendes oder quietschendes Geräusch. Im Klangbeispiel unten ist dies zu hören. Die Aufnahme stammt von einem Katharinasittich mit einer Schwellung im Bereich des Stimmkopfes. Das schwer kranke Tier ist auch auf dem Foto weiter oben und im Video unter dem Klangbeispiel zu sehen.
Hinweis: Bei anderen Vogelarten klingen die quietschenden Atemgeräusche meist ganz ähnlich.
Ansteckung
Weil Mycoplasmen auf Umwelteinflüsse wie zu große Trockenheit und für sie ungünstige Temperaturen sehr empfindlich reagieren und überdies durch Desinfektionsmittel typischerweise schnell abgetötet werden, ist zur Vorbeugung grundsätzlich eine gute Hygiene zu empfehlen. Wegen dieser Empfindlichkeit der Erreger überleben sie vor allem in ihren Wirtsorganismen, was wiederum bedeutet: Vögel stecken sich hauptsächlich durch engen Kontakt mit infizierten anderen Vögeln an. Dazu gehören bei Papageien, Sittichen und anderen Vögeln enger Körperkontakt, das Schnäbeln und gegenseitige Füttern und wahrscheinlich auch das Niesen in unmittelbarer Nähe anderer Vögel. Das heißt, Mycoplasmen werden direkt (beim Füttern) und als Tröpfcheninfektion (beim Niesen) übertragen.
Eine weitere Ansteckungsquelle ist wahrscheinlich auch der feuchte Kot von betroffenen Vögeln, die Durchfälle zeigen. Geraten andere Vögel mit diesem Kot in direkten Kontakt, etwa wenn er auf dem Futter landet und so in den Schnabel gerät, können sie sich möglicherweise infizieren.
Nachweis
Der Nachweis der Mycoplasmen erfolgt mehrheitlich durch Abstrichuntersuchungen. Bei Atemproblemen entnehmen Tierärzte diese Proben per Tupfer aus dem Rachen und senden sie an ein Labor, wo die eigentliche Untersuchung erfolgt.
Behandlung
Ist ein Vogel mit diesen Krankheitserregern infiziert, wird in der Tiermedizin von einer sogenannten Mykoplasmose oder Mycoplasmose gesprochen. Die Erkrankung zu behandeln, ist schwierig und langwierig; eine vollständige Heilung ist – so der aktuelle Erkenntnisstand – nicht möglich! Bei infiziertem Nutzgeflügel (Hühnern und Puten) geht man häufig dazu über, die Tiere zu töten, weil eine antibiotische Behandlung in großen Beständen zu aufwendig und zu teuer ist, zumal die Erkrankung ohnehin irgendwann wieder aufflammt, denn sie ist chronisch und tritt in Schüben auf.
In der privaten Vogelhaltung wurden in der Vergangenheit für gewöhnlich Therapieversuche mit Antibiotika unternommen. Typischerweise kamen Medikamente wie das Antibiotikum Baytril oder Präparate mit dem Wirkstoff Doxycyclin zum Einsatz, die jedoch meist nur für einige Zeit Besserung brachten. Weil die Vogel-Fachärzte untereinander vernetzt sind und Erfahrungen austauschen, hat sich die Situation aber in jüngster Zeit verbessert und es stehen weitere Erkenntnisse zur Verfügung. So hat sich zum Beispiel die Inhalation mit Kochsalzlösung, am besten mithilfe eines Ultraschallverneblers, als sehr gute unterstützende und bedenkenlos über längere Zeit einsetzbare Therapiemaßnahme gegen Atembeschwerden erwiesen.
Linktipp: Die Tierärztin Dr. Martina Schmoock hat den mit Mycoplasmen infizierten Wellensittich Knut beim Inhalieren gefilmt und das Video auf Facebook veröffentlicht.
Ähnliche Erkrankungen
Eine Reihe von Erkrankungen ähnelt einem Befall mit Mycoplasmen, darunter bakterielle Infektionen der Atemwege, selten auch eine Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung), die Papageienkrankheit und nicht zuletzt Erkrankungen oder Verletzungen der Luftsäcke, eine Lungenentzündung oder eine Infektion des Kropfes. Das Symptom Durchfall kann zudem bei zahlreichen weiteren Erkrankungen auftreten. Um die genaue Ursache für die Beschwerden eines erkrankten Vogels feststellen zu lassen, sollte man unbedingt schnellstmöglich einen Vogel-Facharzt aufsuchen!