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- Umbriel †
Umbriel, * 24. Oktober ’93, † 23. Juni ’05
Es gibt einfach diese Tage, an denen unvorhergesehene Dinge geschehen, mit denen man vorher nicht im Traum gerechnet hätte. Der Tag, an dem ich Umbriel zum ersten Mal sah, war so einer. Eigentlich war ich nur kurz im Zoogeschäft, um Vogelsand zu kaufen. Als ich an den Ausstellungskäfigen entlang schritt, fiel mein Blick auf einen noch sehr jungen, grauen Wellensittich, der lustige Verrenkungen auf dem Käfigboden machte und mit seinen eigenen Füßen spielte. Ich war entzückt von diesem niedlichen Anblick und trat näher heran. Der kleine Kerl bemerkte, dass er genau beobachtet wurde. Was er dann tat, überraschte mich völlig: Er scharrte so heftig mit dem Fuß, dass mir durch das Käfiggitter eine Ladung Vogelsand ins Gesicht geschleudert wurde. Mein kleiner Aufschrei bereitete ihm Vergnügen und er schlug auf dem Käfigboden Purzelbäume und schaute mich herausfordernd an. Alles an ihm sagte: „Komm, spiel mit mir, ich will Dich kennenlernen.“ Um mich war es längst geschehen und mein damaliger Lebensgefährte nahm meinen Spontankauf mit einem sehr breiten Grinsen und dem Spruch „nur Vogelsand, ja?“ hin.
Bereits kurz nach dem Kauf des jungen Wellensittichs brachten wir beim Tierarzt in Erfahrung, dass er kerngesund war. Deshalb musste Umbriel nicht lange in Quarantäne bleiben und durfte recht bald zu den anderen Wellensittichen ziehen, mit denen er sich auf Anhieb bestens verstand. Innerhalb kürzester Zeit freundete er sich mit dem viel älteren Männchen Titan an – ihre Freundschaft dauerte bis zu dessen Tod im Mai 2000. Anfangs war Titan für ihn so etwas wie ein Mentor, der ihm beibrachte, wie sich ein Wellensittich im Schwarm zu verhalten hat. So lernte er auch, die Damen immer möglichst charmant zu behandeln, was sich auszahlte. In seinen jungen Jahren war Umbriel ein begehrter Vogelmann. Er pflegte mehrere Liebschaften mit verschiedenen Weibchen, meinte es aber mit keiner Dame so richtig ernst, solange Titan an seiner Seite war. Das ältere Männchen war damals immer die Nummer eins für Umbriel.
Das Kurioseste war aber, dass er 1996 eine Paarung mit dem Weibchen Rhea gehabt vollzogen haben muss, obwohl er sich ansonsten nicht für sie interessierte. Leugnen konnte Umbriel es nicht, denn Rheas Küken, die einige Wochen später das Licht der Welt erblickten, trugen eindeutig seine Gene, was an den Farbschlägen zu erkennen war. Die Vererbungslehre lügt eben nicht … Gemeinsam mit Titan übernahm Umbriel die Vaterrolle bei der Jungenaufzucht, die drei Küken wuchsen somit mit einer Mutter und zwei Vätern auf. Rhea gegenüber war Umbriel freundschaftlich, aber nicht „verliebt“.
Ich will die Tiere gewiss nicht vermenschlichen. Und doch hatte es den Anschein, als hätten Titan und er Väter werden wollen und Rhea habe sich „bereiterklärt“, sie zu unterstützen. Eine wirklich sonderbare Geschichte … Vor allem mit seiner Tochter Sirius verband Umbriel später viele Jahre lang eine innige Beziehung. Als Sirius starb, traf ihn dieser Verlust ähnlich hart wie seinerzeit der Abschied von seinem treuen Gefährten Titan.
Ende 1997 wurde Umbriel auf dem rechten Auge extrem kurzsichtig, wodurch er fortan in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Er wurde dadurch zwar erheblich vorsichtiger – und irgendwie auch schrulliger -, aber er ließ sich niemals unterkriegen und er genoss auch in den folgenden Jahren sein Leben im Vogelschwarm. Nachdem er seine besten Freunde Titan und Sirius verloren hatte, ließ er sich oft von mir am Köpfchen kraulen, und von Mitte 2003 an war Umbriel sehr eng mit Jupiter befreundet, mit dem er ausgiebige „Kuscheleinheiten“ austauschte und mit dem er gern im Duett sang – bis Jupiter im Dezember 2004 leider starb und Umbriel abermals den Tod eines engen Freundes betrauern musste. Doch trotz all dieser Schicksalsschläge war er stets ein fröhliches Tier und er hatte einige besondere Eigenarten. So fraß er beispielsweise mit Vorliebe grüne Blattläuse, falls sich welche am Grünzeug aus der Natur befanden. Die anderen Vögel schienen das immer merkwürdig zu finden. Auch spielte Umbriel mit Leidenschaft „Käfigharfe“, indem er mit dem Schnabel an den Gitterstäben zupfte und sich an den schrägen Tönen erfreute, während sich die anderen Vögel angewidert schüttelten.
Im späten Frühling 2005 erkrankte Umbriel schwer. Binnen weniger Tage bildete sich in seinem Bauch ein Tumor, der ihm bald extreme Atemnot bereitete. Ich war es meinem langjährigen Freund schuldig, ihn nicht leiden zu lassen, weshalb ich ihn am Abend des 23. Juni 2005 von seinem Leid erlösen ließ. Dieser Schritt fiel mir sehr schwer, denn Umbriel hatte so lange bei mir gelebt wie zuvor kein anderer Vogel. Er war etwas Besonderes für mich und wird es immer bleiben. Danke, mein lieber, treuer Freund! Ich werde Dich nie vergessen!
Umbriels Farbschlag trug den komplizierten Namen Europäisches Gelbgesicht Mutation II (EGG II) Opalin. Das Besondere daran ist der Farbwechsel während der Jugendmauser. Vorher scheinen die Tiere graue Gelbgesichter zu sein. Die grauen Federn wachsen später gelb überhaucht nach, wodurch Vögel wie Umbriel als Erwachsene olivgrün aussehen.
Bedeutung des Namens
Umbriel fällt in gewisser Weise aus dem Rahmen. Sein Name stammt ursprünglich nicht aus der griechischen Mythologie, sondern der Uranusmond und auch mein Sittich wurden nach einem Romancharakter benannt. Der Schriftsteller Alexander Pope (England, 1688 bis 1744) führte ihn als Erdgeist in seinem Versepos „The Rape of the Lock“ (Der Lockenraub) ein. Mit seinen 1.110 km Durchmesser ist der Mond nur der viertgrößte Uranus-Satellit.