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Beas Kanarienvögel
Text und Bilder von Beatrix Friese, August 2006
Als ich mein erstes Kanarienpaar Kuno und Adele aufnahm, wusste ich noch nicht, dass Adele eine extreme Beinfehlstellung (Hüftschaden?) hatte. Sie war kaum dazu in der Lage, auf den ihr in ihrem bisherigen Käfig angebotenen Sitzstangen zu sitzen. Ich bot ihr Holzstangen verschiedener Stärke an, sodass sie frei wählen konnte, auf welcher Stange sie sich am besten halten konnte.
Schnell merkte ich, dass sie um sich auszuruhen das Liegen im Futternapf als angenehm empfand, ein Holzbrettchen gab ihr nicht den nötigen Halt an den Seiten. So bekam sie ihren eigenen Napf, gefüllt mit Sand, der ihr noch die nötige Polsterung von unten bot.
Als Kuno von den Wellensittichen so attackiert wurde, dass er an seinen schweren Verletzungen verstarb (seither dürfen bei mir die Wellensittiche und die Kanarienvögel respektive Zebrafinken nur noch unter Aufsicht gemeinsamen Freiflug bekommen), musste für Adele ein adäquater Partner gefunden werden. Da sie durch ihre Behinderung nach einem Flug schlecht landen konnte, ist sie kaum noch geflogen, nur noch kurze Strecken geflattert. Ein flugfähiger Kanarienjüngling im besten Alter, agil und fit, schied somit aus. Die beiden hätten miteinander nichts anfangen können.
Durch Zufall erfuhr ich, dass zwei behinderte Kanarienhennen ein neues Zuhause suchen. Ich bot mich an, sie aufzunehmen. Die eine verstarb kurz vor der Reise zu mir an Legenot, die andere namens Martha kam abends spät bei mir zuhause an.
Als ich sie das erste Mal sah, war ich schockiert. Noch nie zuvor hatte ich einen so stark behinderten Vogel gesehen. Ich dachte zunächst sogar an Euthanasie – bis ich den Lebenswillen des kleinen Kanarienmädchens wahrnahm. Sie trällert in den schönsten Tönen, obwohl es ihr wegen der stark fehlgestellten Füße noch nicht einmal möglich ist, sich auf einer Stange zu halten. Sie kann sich wegen der starken Fehlstellung nicht festhalten.
Damals hatte ich noch einen Käfig mit zwei Bodenschalen, so probierte ich zwei verschiedene Einstreuarten aus. In die eine Schale gab ich Buchenholzgranulat, in die andere Maiseinstreu. Martha musste sich beim Laufen immer mit dem Kopf abstützen, es sah aus, als ob sie durch den Käfig stolperte. Als ich sie zum Säubern des Käfigs auf den Teppich setzte, fiel mir auf, dass sie dort um Klassen besser laufen konnte – ganz ohne den Kopf als Stütze zu benutzen. Ich ersetzte die Einstreu sofort durch Küchenpapier und seitdem kann Martha auch in ihrem Käfig deutlich besser laufen.
Adele verstarb wenige Monate nach Marthas Einzug aufgrund einer Legedarmentzündung. Nun stand ich erneut vor haargenau demselben Problem. Ein völlig agiler Jungspund kam wieder nicht in Betracht, aber Martha brauchte einen Partner, sie piepste immer kläglich, so wie sie es immer getan hatte, wenn Adele zu ihr auf den Boden kommen sollte.
Ein Haubenkanarienhahn wurde mir angeboten, der – bedingt durch Sichtbehinderung durch die ausgeprägte Haube – oft Schwierigkeiten bei der Landung hatte und damit völlig ungeeignet für eine Volierenhaltung war. Fluffy erwies sich als Glücksgriff. Zwar kann er ein wenig fliegen, aber nicht wirklich gut und er findet Gefallen daran, Martha Gesellschaft zu leisten, indem er sich immer in Bodennähe aufhält. Er ist eine ‚Seele von Vogel‘.
Weil ich in einem Internet-Forum von einem flugunfähigen Kanarienhahn las, der schon etliche Jahre allein war, habe ich auch ihn aufgenommen. Tweety, der selbst nicht fliegen kann, ist in meiner Behinderten-WG glücklich, stellt aber an mich als Halterin neue Anforderungen. Früher hat er in einem kleinen Vogelkäfig gelebt, in dem es kaum größere Distanzen zu überbrücken gab. Das ist in seinem jetzigen Käfig anders und er kam anfangs mit dem Abstand der Stangen nicht zurecht, sie waren zu weit voneinander entfernt. Er kann die Abstände nicht bewältigen, weil er seine Flügel mit den verdrehten Schwungfedern nicht zur Hilfe nehmen und kleine Strecken flattern kann.
Nun habe ich anschraubbare Stangen, die nicht über die Gesamtbreite der Zimmervoliere reichen, treppenförmig angebracht, damit Fluffy weiterhin flattern und Tweety sich aber trotzdem frei im Käfig bewegen kann.
Da ich auch Nichtflieger unter meinen Wellensittichen und damit den direkten Vergleich habe, kann ich sagen, dass ein flugbehinderter Kanarienvogel durch die fehlende Fähigkeit zu klettern, deutlich schlechter zurechtkommt und an seinen Halter wesentlich höhere Ansprüche stellt, denn dort, wo der flugunfähige Wellensittich noch durch Klettern weiterkommt, ist der flugunfähige Kanarienvogel völlig hilflos.
Das Buch kann für 29,90 € direkt beim Verlag bestellt werden: Web-Shop des Arndt-Verlags