Bianca, adoptiert am 4. Januar ’04, † 18. Februar ’11

Verträumter Blick beim Singen - Bianca am Nachmittag.
Verträumter Blick beim Singen – Bianca am Nachmittag.

Am 10. März 1998 befreite sich ein winziger Katharinasittich aus seinem Ei, der später zu einer wunderschönen Vogeldame heranwachsen sollte. In ihrer damaligen Heimat – Bianca lebte früher bei einem Vogelzüchter in Buxtehude – wuchs sie auf und fand im großen Vogelschwarm jenes Sittichliebhabers ihren ersten Partner. Leider starb ihr Gefährte, deshalb verpaarte sie sich nach einiger Zeit mit einem anderen Männchen. Doch sie war vom Pech verfolgt und wurde bald wieder zur Witwe. Sie ließ sich nicht unterkriegen und versuchte es abermals. Leider endete ihre dritte Beziehung ebenfalls tragisch mit einem Todesfall. Für Bianca brach eine Welt zusammen. Innerhalb weniger Jahre dreimal Witwe zu werden, das steckt selbst das robusteste Weibchen nicht einfach so weg. Es war deutlich zu viel für die trauernde Katharinasittichdame.

Bianca kuschelt mit einem Hanfseil.
Bianca kuschelt mit einem Hanfseil.

Ihrem besorgten Halter fiel auf, wie Bianca zusehends lustloser wurde. Sie wirkte unglücklich und saß häufig mit aufgeplustertem Gefieder teilnahmslos abseits der Vogelschar, während ihre Artgenossen vor Lebensfreude sprühend um sie herum flogen und tobten. Obwohl Katharinasittiche im Schwarm normalerweise alles gemeinsam unternehmen, zog sich Bianca zurück und wurde zur Eigenbrötlerin. Körperlich zwar gesund, war doch ihre Seele durch die vielen Verluste offenbar geschunden. Und das so sehr, dass Biancas Federn auf dem Kopf stressbedingt auszufallen begannen und sie sogar anfing, sich leicht selbst an anderen Stellen ihres Körpers zu rupfen. Ihre Seele war in großer Not, das war mehr als offensichtlich.

Ihrem Partner Merlin (rechts) war Bianca jahrelang eng verbunden.
Ihrem Partner Merlin (rechts) war Bianca jahrelang eng verbunden.

So konnte und sollte es nicht weitergehen. Ein Plan wurde gefasst und dank der tatkräftigen Hilfe einiger Kathi-Freunde aus dem damaligen Forum von Katharinasittiche.de, das heute leider nicht mehr existiert, gelangte Bianca am 4. Januar 2004 in meine Obhut. Sie sollte die neue Frau an Merlins Seite werden, der einige Monate zuvor selbst zum Witwer geworden war und damit nur schwer zurechtkam. Einfach war die Vergesellschaftung der beiden trauernden Vögel allerdings zunächst nicht. Sowohl Bianca, deren wunderschöner Farbschlag „Cremino“ genannt wird, als auch Merlin haben in der Vergangenheit viel durchgemacht. Deshalb war es zwischen ihnen nicht die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Zwar waren sie einander durchaus sympathisch. Trotzdem näherten sie sich nur in geradezu mikroskopisch kleinen Schritten an, sodass es etliche Wochen dauerte, bis sie ein festes Paar wurden. Als das Eis jedoch einmal gebrochen war und sich beide Vögel aneinander gewöhnt hatten, war von der anfänglichen Zurückhaltung nichts mehr zu spüren.

Salatgurke mochte Bianca immer gern - nur Apfel war ihr noch lieber.
Salatgurke mochte Bianca immer gern – nur Apfel war ihr noch lieber.

Nach ihrem Einzug in mein Vogelzimmer blühte die sehr zartgebaute Bianca regelrecht auf. Sie war in ihren ersten Lebensjahren stets agil gewesen, bis sie in Trauer versunken war. Doch bei mir kehrte sie zu ihrer alten Höchstform zurück. Nur selten saß zum Ausruhen abseits des bunten Treibens meiner Vögel und war außerdem sehr ruffreudig. Zum Glück trug sie meist nur leise Töne vor, denn Katharinasittiche können bekanntermaßen ziemlich laut schreien. Das Kopfgefieder wuchs sehr zu meiner Freude rasch nach und Biancas Äußeres ließ bald nichts mehr von der großen seelischen Not erkennen, in der sie sich Ende 2003 noch befunden hatte. Auch das Federrupfen war nicht zur dauerhaften schlechten Angewohnheit geworden, sie hörte vollständig damit auf. Außerdem gehörte sie immer zu den ersten Vögeln, die sich morgens zum Frühstücken an Gurke, Apfel und Co. einfanden.

Glitzer-Kathi Bianca beim ekstatischen Duschen.
Glitzer-Kathi Bianca beim ekstatischen Duschen.

Am liebsten kletterte Bianca in den ersten Jahren, die sie in meiner Obhut verbrachte an den Baumwoll- oder Hanfseilen sowie Juteschnüren herum, die als Aufhängung für die großen Schaukeln im Vogelzimmer dienten. Wie es für ihre Art typisch ist, vollführte die Vogeldame gern und ausgiebig akrobatische Turneinlagen, oft sogar kopfüber hängend. Zudem liebte sie es, ausgiebig und sehr genießerisch zu duschen. Erst wenn ihr Gefieder vollkommen durchnässt war, hatte sie genug. Wenn sie sich mit dem Schwanz nach oben und alle Federn abgespreizt in den Duschregen stellte, war ich immer wieder fasziniert davon, wie gern sie es tat. Sie quietschte manchmal regelrecht vor Freude. In diesen Momenten strahlte sie pures Lebensglück aus, der frühere Kummer war vergessen.

Bianca (rechts) und ihr Gefährte Merlin kraulen den gemeinsamen Wellensittich-Freund Max.
Bianca (rechts) und ihr Gefährte Merlin kraulen den gemeinsamen Wellensittich-Freund Max.

Bei ihren Artgenossen war Bianca ausgesprochen beliebt und sogar die Wellensittiche mochte sie gern. Einen von ihnen hat sie ganz besonders in ihr Herz geschlossen, als dieser noch unter den Lebenden weilte. Im Sommer 2005 hat sie sich – genau wie ihr Gefährte Merlin es zuvor schon getan hat – sehr eng mit Max angefreundet. Die drei Vögel waren bis zu Max‘ Tod im Herbst 2006 meine „Kuschelkommune“, über die ich in Heft 05/2006 des WP-Magazins einen Artikel veröffentlicht habe („Eine wunderbare Freundschaft: Drei schräge Vögel“). Ihre Freundschaft beruhte auf Freiwilligkeit, denn sowohl die Katharinasittiche als auch Wellensittich Max hatten mehrere Artgenossen um sich herum. Trotzdem freundeten sie sich über die Artgrenze hinweg an und ich genoss es sehr, den drei ungleichen Freunden beim Kuscheln zuzuschauen.

Bianca mit frisch gewaschener Stirnpartie.
Bianca mit frisch gewaschener Stirnpartie.

Außerdem war Bianca eng mit Rica, der damals zweiten Katharinasittichdame in meinem Vogelschwarm, befreundet. Nach Ricas Tod hielt sich Bianca überwiegend an deren Witwer Costa, als dieser noch lebte, und sie verbrachte natürlich viel Zeit mit ihrem späteren Partner Tico. Er nahm Merlins Platz ein, nachdem dieser im August 2007 leider aus dem Leben geschieden war. Anfangs war es für Bianca sehr schwer, dass sie erneut zur Witwe geworden war, denn sie hatte ihren Merlin ganz fest in ihr Herz geschlossen. Trotz seiner schweren Krankheit bewahrte sie die Ruhe und wich ihm auch in den schwersten Stunden nicht von der Seite. Als er fort war, trauerte sie einige Tage, doch dieses Mal war es nicht so schlimm wie bei den Malen zuvor. Sie wurde von den anderen Vögeln buchstäblich aufgefangen und fand bald wieder zu ihrer Lebensfreude zurück.

Mit der blinden Artgenossin Kimmy (rechts) freundete sich Bianca im hohen Alter sehr eng an.
Mit der blinden Artgenossin Kimmy (rechts) freundete sich Bianca im hohen Alter sehr eng an.

Ab etwa Mitte 2010 war jedoch deutlich zu spüren, dass Bianca inzwischen zur Seniorin geworden war. Mit den anderen Katharinasittichen tobte sie weniger denn je, immer mehr zog sie sich zurück und hielt täglich einen sehr langen Mittagsschlaf. Insbesondere nachdem sie vom Draufgänger Smoky am Kopf gerupft worden war, wollte sie nicht mehr ständig mit den sehr agilen jungen Freunden zusammen sein. Ihre Zeit verbrachte sie daraufhin am liebsten mit der sehr ruhigen, blinden Gefährtin Kimmy, deren beste Freundin sie in den letzten Lebensmonaten wurde. Sowohl ihr tat diese Freundschaft gut als auch der sanftmütigen Kimmy. Aneinandergekuschelt verbrachten sie viele Stunden miteinander, wobei sie leise vor sich hin zwitscherten.

Am Morgen des 18. Februar 2011 starb Bianca nur wenige Wochen vor ihrem 13. Geburtstag. Sie litt zu dieser Zeit an einem Infekt, der zwar behandelt wurde. Vermutlich ist ihr alter, gebrechlicher Körper dennoch nicht mehr dazu in der Lage gewesen, noch länger durchzuhalten. Für einen Katharinasittich, der noch dazu einst viele Küken großgezogen hat und sehr viele schwere Verluste hinzunehmen und zu verarbeiten hatte, ist Bianca erstaunlich alt geworden. Dabei hat sie glücklicherweise nie typische Alterserkrankungen wie Arthrose (Gelenkverschleiß) entwickelt und somit selbst im hohen Alter keine Schmerzen erleiden müssen. Ich bin froh, diesen wundervollen Vogel gekannt zu haben.