Carmen †

Carmen, die temperamentvolle blaue Vogeldame

Nicht jeder Vogel hat das große Glück, für immer in seinem Zuhause bleiben zu können. So ist es auch Carmen ergangen. Ihr früherer Halter wollte sie irgendwann nicht mehr bei sich haben, sie wurde zum Vermittlungsfall – zu einem schwierigen obendrein. Denn das blaue Katharinasittichweibchen war gehandicapt. Wer einen Vogel wie sie bei sich aufnimmt, hat keinen leichten Pflegling. Carmens linker Fuß war steif und gelähmt, sie konnte deshalb keine Äste umgreifen. Vielmehr stand sie auf der Außenseite ihrer hinteren Zehen, wodurch sie beim Gehen stark hinkte und beim Klettern erheblich eingeschränkt war. Was zu dieser bleibenden Schädigung ihres Fußes geführt hatte, blieb ihr Geheimnis – der Vorbesitzer hat sich dazu nicht geäußert. Typischerweise treten solche Lähmungen aber nach Verletzungen der Sehnen und Muskeln auf, beispielsweise wenn ein Vogel irgendwo hängen bleibt und versucht, seinen Fuß selbst durch Zerren zu befreien.

Nachdem sie zum Vermittlungsfall geworden war, hatte sie großes Glück – eigentlich zumindest. Denn ein Vogelhalter mit einer traumhaft schönen Außenvoliere, in der bereits über 10 Katharinasittiche lebten, sollte ihr neues Zuhause werden. Sie war dort trotz ihrer Behinderung willkommen. Leider kam sie aber nicht gut zurecht und blieb mit dem „Hinkefuß“ öfter hängen. Der verantwortungsbewusste Vogelhalter hatte große Sorge, dass sie sich verletzen würde und er es übersehen könnte, weil er sie in der sehr großen Außenvoliere nicht immer im Blick behalten konnte. Deshalb suchte er einen Platz in einer Innenhaltung für sie. Weil ich gerade auf der Suche nach Katharinasittichweibchen war und mein Vogelzimmer überdies behindertengerecht eingerichtet ist, sagte ich zu, die blaue Vogeldame aufzunehmen.

Am 16. Juni 2018 holte ich Carmen zu mir, und sie bezog gemeinsam mit der am selben Tag abgeholten und ebenfalls gehandicapten Fiorella den Quarantänekäfig. Glücklicherweise verstanden sich die beiden Damen sehr gut miteinander, sodass sie sich während der Zeit ihrer Quarantäne gegenseitig Gesellschaft leisten konnten. Alle Gesundheitstests waren unauffällig, weshalb sie nach der Quarantäne zusammen ins Vogelzimmer einziehen durften. Dort blieben sie einander weiterhin sehr eng verbunden. Ihre anfängliche gemeinsame Zeit hatte sie zu Freundinnen werden lassen. Obwohl Carmen später auch mit den anderen Katharinasittichen meines Vogelschwarms gute Beziehungen führte, hielt sie sich trotzdem zeitlebens gern in Fiorellas Nähe auf. Das tat sie vor allem dann, wenn ihr Gefährte Juan gerade keine Zeit für sie hatte. In diesen grünen Katharinasittichmann haben sich sowohl Carmen als auch Fiorella verliebt, aber Letztere hatte das Nachsehen. Allerdings ist Carmen gewissermaßen über einen Umweg Juans Partnerin geworden. Zunächst war sie für kurze Zeit mit Patricio zusammen, der wiederum Juans bester Freund war. Leider starb Patricio sehr plötzlich, und in ihrer gemeinsamen Trauer fanden Carmen und Juan schließlich zueinander.

Anders als er konnte Carmen anfangs noch sehr gut fliegen. Das ärgerte ihn manchmal ein wenig und er rannte dann schreiend durch das Vogelzimmer, um seiner Gefährtin zu folgen. Mit der Zeit verlor sie wegen ihres hohen Alters ihre Flugfähigkeit und beide Fußgängervögel kletterten daraufhin lieber zu ihren bevorzugten Plätzen. Sehr gern saßen Carmen und Juan zusammen am Fenster auf dem Klettergestell und schauen Schulter an Schulter raus.

Während die meisten Katharinasittiche lieber in feinem Sprühnebel duschen, liebte es Carmen, sich gemeinsam mit Juan in der Badeschale zu wälzen. Dabei war sie so ausdauernd, dass sie anschließend tropfnass war. Wenn Carmen und ihr Partner badeten, hatten die mit ihnen im Vogelzimmer lebenden Wellensittiche keine Chance. Obwohl die etwas kleineren Sittiche sehr unerschrocken sind, konnten sie die beiden Katharinasittiche meist nicht aus der Badewanne vertreiben. Abends bestanden Carmen und ihr Liebster darauf, von mir in ihre kleine Schlafbox getragen zu werden. Dafür kam Carmen bereitwillig auf meine Hand, ansonsten mied sie den Kontakt zu Menschen. Das habe ich selbstverständlich stets respektiert, sie soll e so leben, wie sie es wollte.

Nachdem sie über zwei Jahre bei mir war, wurde Carmen zusehends ruhiger und sie hatte Schwierigkeiten beim Laufen. Es wurde eine schwere Arthrose im linken Bein diagnostiziert. Lange Zeit konnte Carmen dank eines Schmerzmittels ihr Leben noch genießen. Doch Ende März 2022 verschlechterte sich ihr Zustand und sie wollte nur noch schlafen, mochte sich nicht mehr bewegen. Schweren Herzens ließ ich sie am 21. März 2022 erlösen. Sie fehlt mir, die wunderschöne blaue Vogeldame, die immer freundlich und so liebenswert war.

Ihren Namen habe ich ihr gegeben, weil die meisten meiner Katharinasittiche spanische Namen tragen beziehungsweise trugen. Außerdem passte er perfekt zu ihrem Temperament, das auch ein wichtiger Charakterzug der Carmen aus der Oper von Georges Bizet ist. Wie meine Carmen bei ihrem Vorbesitzer hieß, weiß ich leider nicht. Auch weiß ich nicht, wann sie zur Welt gekommen ist. Da sie in meiner Obhut viele Anzeichen hochbetagter Vögel zeigte, gehe ich davon aus, dass sie mindestens acht bis zehn Jahre alt war, als sie zu mir gekommen ist.

Hintergrundbild für Ihr Smartphone und Ihren Desktop

Von Carmen gibt es ein Hintergrundbild für Ihr Smartphone sowie für Ihren Desktop am Computer, siehe Bildersammlung.