Helios, adoptiert am 15. April ’19, † 9. Mai ’22

Ein leuchtend gelber 'Sonnenschein' mit Federn – da lag der Name Helios nahe
Ein leuchtend gelber ‚Sonnenschein‘ mit Federn – da lag der Name Helios nahe

Manchmal reicht eine Sekunde der Unachtsamkeit, und schon findet ein Heimvogel seinen Weg hinaus ins Freie. Vermutlich war es auch bei diesem gelb-grünen Wellensittich so, er scheint seinem früheren Halter entwischt zu sein. Als er im Spätwinter 2019 in Süddeutschland von Schulkindern auf einem Schulhof entdeckt wurde, war er schon nicht mehr ganz fit. Das dürfte einerseits sicherlich an der kühlen Witterung gelegen haben, andererseits aber vor allem daran, dass er draußen kaum Futter gefunden haben dürfte. So gelangte er zunächst in ein Tierheim und wurde von dort sehr bald in die Obhut meiner Wildvogelhilfe-Kollegin Anke übergeben. Denn schon im Tierheim fiel auf, dass arme Vogelmann unter einem erheblichen Befall mit Räudemilben litt. Diese Parasiten hatten sich so weit ausbreiten können, dass sein Schnabel kaum mehr nutzbar war. Er war durch die Einwirkung der winzigen Spinnentierchen deformiert, so dass es dem Vogel nicht mehr möglich war, eigenständig zu fressen.

Anfang März 2019 saß der arme Vogel vor einem gut gefüllten Napf und konnte wegen seiner Schnabeldeformation trotzdem nicht selbstständig fressen
Anfang März 2019 saß der arme Vogel vor einem gut gefüllten Napf und konnte wegen seiner Schnabeldeformation trotzdem nicht selbstständig fressen

Zum Glück wusste Anke, was zu tun war. Sie fütterte den stark abgemagerten und entkräfteten Wellensittich per Kropfsonde, begann sofort mit einer Behandlung zur Bekämpfung der Milben und ließ von ihrem Tierarzt den Schnabel vorsichtig in Form bringen. Es folgten mehrere Wochen mit intensiver Behandlung des Schnabels, weil er so stark entstellt war. In jener Zeit war es dem Vogel nach wie vor nicht möglich, selbst Nahrung zu sich zu nehmen. Nur durch Ankes unermüdlichen Einsatz und die regelmäßige Fütterung per Sonde konnte er überleben. Weil der Schnabel aber nicht so recht wieder normal werden wollte, tauschten wir uns aus. Ankes Tierarzt hatte sich zwar große Mühe gegeben, doch ein Vogelspezialist war er nicht. So entschieden wir, dass der Wellensittich zu mir kommen sollte, damit ich ihn von den Vogelärzten meines Vertrauens weiter behandeln lassen können würde.

Mitte April 2019 sah Helios schon besser aus – ein paar Breireste klebten im Gefieder und der Schnabel war noch ein wenig klobig
Mitte April 2019 sah Helios schon besser aus – ein paar Breireste klebten im Gefieder und der Schnabel war noch ein wenig klobig

Den Umzug des Vogels von Bayern nach Nordrhein-Westfalen wollten wir riskieren, obwohl er noch ein halbes Jahr nach seinem Auffinden in der Natur rechtmäßig seinem ehemaligen Halter gehörte. Trotz intensiver Suche war sein Besitzer aber nicht ermittelbar gewesen. Hätte dieser Mensch großen Wert darauf gelegt, seinen Vogel zurückzubekommen, wäre die Sache damals sicherlich anders verlaufen. Deshalb sprach aus unserer Sicht nichts gegen den Umzug des Vogels in meine Obhut. Und rückblickend betrachtet war das auch gut und richtig, denn es hat sich auch in den folgenden Monaten niemand gemeldet, der seinen Vogel vermisst. Doch zurück zum Einzug des Wellis bei mir. Am 15. April 2019 traf er hier ein und ich gab ihm wegen seiner herrlich gelben Färbung den Namen Helios, was das altgriechische Wort für Sonne ist. Weil niemand wusste, welchen Namen er bei seinem früheren Halter getragen hatte, blieb mir ohnehin nichts anderes übrig, als ihn neu zu benennen.

Im September 2019 war ihm kaum mehr anzusehen, wie schwer er es nur wenige Monate zuvor noch gehabt hatte
Im September 2019 war ihm kaum mehr anzusehen, wie schwer er es nur wenige Monate zuvor noch gehabt hatte

Meinen Tierärzten in der Vogelklinik gelang es sehr rasch, den Schnabel so weit in Form zu bringen, dass der tapfere Wellensittichmann schon kurz nach seiner Ankunft bei mir endlich wieder die ersten Körnchen selbst fressen konnte. Die lange Zeit der Fütterung per Sonde war damit endlich vorüber. Ihm ist sicher ein Stein vom Herzen gefallen, denn für jede Fütterung hatte er eingefangen und mit der Hand fixiert werden müssen, damit die Sonde durch den Schnabel und die Speiseröhre in den Kropf eingeführt werden konnte. Erstaunlicherweise hat ihn das trotzdem nicht ängstlich werden lassen. Zahm war er zwar nie, aber er flüchtete auch nicht panisch, wenn man sich ihm näherte. Man könnte auch sagen, Helios hatte ein wirklich sonniges Gemüt und scheint uns Menschen diese sicherlich etwas unangenehme Zeit verziehen zu haben.

Mit seiner früheren Partnerin Brit (rechts) kuschelte Helios gern und ausgiebig
Mit seiner früheren Partnerin Brit (rechts) kuschelte Helios gern und ausgiebig

In meinem Vogelschwarm blühte er regelrecht auf und wurde innerhalb kürzester Zeit zum „Womanizer“. Flirten gehörte definitiv zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Anfangs war Else seine Traumfrau, doch sie blieb für ihn zunächst unerreichbar, weil sie einen anderen Partner hatte. Als dann im Spätsommer mehrere junge Weibchen aus einer Rettungsaktion ins Vogelzimmer einzogen, begann er damit, sie alle quasi „durchzutesten“. Letztlich entschied er sich für Brit, deren Partner er von Anfang 2020 bis März 2022 war. Leider schied Brit seinerzeit plötzlich und unerwartet viel zu jung aus dem Leben. Während er mit ihr liiert war, führte Helios mit Alana ebenfalls eine enge Beziehung, die nach Brits Tod noch intensiver wurde und bis zu seinem eigenen letzten Tag andauerte. Gern flog er gemeinsam mit Alana durch das Vogelzimmer – er war ein leidenschaftlicher und vor allem sehr artistischer Flieger. Abrupte Richtungswechsel und schwungvolle Flugmanöver waren für Helios völlig normal.

Das freundliche Männchen Leo (links) war Helios' enger Freund
Das freundliche Männchen Leo (links) war Helios‘ enger Freund

Bei den anderen Männchen war der freundliche Vogel ebenfalls ausgesprochen beliebt. Mit dem flugunfähigen Leo verband ihn zu dessen Lebzeiten eine innige Freundschaft – gegenseitiges Köpfchenkraulen inklusive. Wie alt Helios geworden ist, kann ich leider nicht sagen, denn er trug keinen Fußring, dem man zumindest eine Jahresangabe hätte entnehmen können. So agil, wie er sich aufführte, vermute ich aber, dass er zum Zeitpunkt seines Einzuges in mein Vogelzimmer nicht älter als drei bis vier Jahre gewesen ist. Demnach ist er leider nicht allzu alt geworden. Im Frühling 2022 entwickelte er einen Lebertumor, der letztlich seinen Tod bedeutete.

Hintergrundbild für Ihr Smartphone

Von Helios gibt es ein Wallpaper für Ihr Smartphone, siehe Bildersammlung.