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Legezwang – wenn Vogelweibchen ständig Eier legen
Bei Wellensittichen kommt es relativ häufig vor, dass die Weibchen gewissermaßen in Dauerbrutstimmung sind. Dies liegt häufig darin begründet, dass die Haltungsbedingungen sehr gut sind. An sich ist das positiv, doch es bringt den Hormonhaushalt der Vögel durcheinander. Anstatt nur gelegentlich in Brutstimmung zu geraten, wie es bei den wilden Wellensittichen der Fall ist, läuft die Östrogenproduktion bei vielen in der Obhut des Menschen gehaltenen Wellensittichweibchen permanent auf Hochtouren. Zu den Folgen dieses sogenannten Hyperöstrogenismus‘ gehört, dass die betroffenen Weibchen ständig Eier legen, obwohl nicht gezüchtet werden soll. Aber auch Vögel, die brüten sollen, können von diesem Dauerlegen betroffen sein. In manchen Fällen sind sogar einzeln gehaltene Wellensittichweibchen hiervon betroffen, siehe Infos in den Fallbeispielen weiter unten.
Dieser Zustand des ständigen Eierlegens wird bei Heimvögeln als Legezwang bezeichnet. Um zu verstehen, weshalb er problematisch ist, hilft es, sich zunächst mit der Brutbiologie der wilden Wellensittiche vertraut zu machen.
Unter welchen Umständen brüten wilde Wellensittiche?
Wilde Wellensittiche sind in ihrer Heimat Australien Nomadenvögel, die auf der Suche nach Nahrung ständig durch das Land ziehen. Lediglich zum Brüten werden sie vorübergehend sesshaft, ansonsten sind sie nie reviertreu. Damit sie zur Brut schreiten, müssen mehrere günstige Faktoren zusammentreffen. Anderenfalls geraten wilde Wellensittiche gar nicht erst nicht in Brutstimmung. Diese Faktoren sind:
- Es muss ein gesunder Geschlechtspartner vorhanden sein.
- Die Konstitution (der Gesundheitszustand) des Weibchens muss gut sein.
- Die Nahrungssituation muss stimmen. Das bedeutet, die australischen wilden Wellensittiche müssen in einen Bereich des Landes gelangen, in dem gerade frisches Gras mit (halb reifen) Samenständen in ausreichenden Mengen vorhanden ist. Darüber hinaus muss frisches sauberes Wasser in der Nähe sein.
- Die Vögel benötigen einen Nistplatz, der vor Feinden sicher und trocken ist. Wellensittiche sind Höhlenbrüter, ohne das Vorhandensein einer Höhle brüten sie normalerweise nicht. Ihre Nistplätze finden die wilden Wellensittiche vor allem in natürlichen Baumhöhlen.
Bei in menschlicher Obhut lebenden Wellensittichen stellt sich die Situation anders dar. Sie schwelgen praktisch immer im Überfluss, denn der Futternapf ist täglich gut gefüllt und Trinkwasser ist ebenfalls vorhanden. Aus Sicht der Wellensittiche sind so zwei wichtige Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Brut gegeben – und das permanent. Darin liegt für die Vögel die Gefahr, in einen Zustand dauerhafter Brutlust zu geraten – für die Weibchen bedeutet dies oft, dass sie einen Legezwang entwickeln.
Was ist ein Legezwang?
Unter dem Begriff Legezwang versteht man nicht, dass ein Vogel unter Zwang Eier legt. Das ist praktisch nicht möglich, denn das Eierlegen lässt sich nicht willentlich von irgendwem bewusst erzwingen. Vielmehr ist es ein zwanghaftes Eierlegen, also ein übersteigerter, abnormer Bruttrieb beim weiblichen Vogel. Dieser kann sich auf verschiedene Weise darstellen. Zum einen kann ein Symptom eines Legezwangs sein, dass das betroffene Vogelweibchen sehr viele Eier legt. Gemessen an einer durchschnittlichen Gelegegröße erzeugt es demnach deutlich mehr Eier. Da die Gelegegröße je nach Vogelart unterschiedlich ist, gibt es keine feste Anzahl, anhand derer sich ein normaler Bruttrieb von einem Legezwang unterscheiden lässt. Bei Wellensittichen kann man aber davon ausgehen, dass acht bis zehn Eier meist das Maximum sind. Was darüber hinaus geht, kann ein Anzeichen für einen Legezwang sein. Werden in dichter Folge mehr als 15 Eier gelegt, handelt es sich in den meisten Fällen um einen Legezwang.
Eine weitere Abweichung vom normalen Bruttrieb ist typisch für einen Legezwang: Es kann geschehen, dass Vogelweibchen Gelege produzieren, obwohl die Rahmenbedingungen dafür an sich nicht gegeben sind. So kann es zum Beispiel geschehen, dass Wellensittiche, die normalerweise Höhlenbrüter sind und in Menschenobhut für gewöhnlich Nistkästen zur Jungenaufzucht benötigen, ihre Eier einfach auf den Boden legen. Eine solche für die Vogelart unübliche offene Brut ist an sich untypisch und deshalb häufig auf ein zwanghaftes Legen zurückzuführen.
Das ständige Legen von Eiern über einen langen Zeitraum ist ein weiteres Symptom des Legezwanges. Bezogen auf Wellensittiche heißt das: Wurde ein Gelege produziert und wurden entweder erfolgreich Junge aufgezogen oder aber das Gelege war steril und wurde deshalb aufgegeben, dann wird meist ein weiteres Gelege produziert und danach noch eines und noch eines und noch eines. Immer wieder legt das Weibchen Eier. Oder aber es produziert keine vollständigen Gelege, sondern legt im Abstand mehrerer Tage – normal sind zwei Tage – Eier. Der Abstand kann beispielsweise bei einer Woche liegen. So kommen mit der Zeit erhebliche Mengen produzierter Eier zustande.
Was macht den Legezwang so gefährlich?
Ein Vogelweibchen, das wieder und wieder Eier legt, verausgabt sich dabei relativ bald. In die Eier werden Nährstoffe eingelagert, damit sich die Küken entwickeln können. Jene Nährstoffe muss die Mutter quasi „abgeben“. Wenn ihr selbst keine sehr hochwertige Nahrung zur Verfügung steht, ist dieses „Abgeben“ der Nährstoffe für sie selbst langfristig problematisch. Ihr Körper erleidet eine Mangelsituation und der Allgemeinzustand verschlechtert sich.
Noch dazu muss ständig ausreichend Kalzium bereitstehen, damit das Vogelweibchen intakte Eierschalen bilden kann. Einen Teil des Kalziums, das dafür erforderlich ist, zieht der Körper aus den eigenen Knochen. Deshalb bekommen viele Wellensittichweibchen, die unter einem Legezwang leiden, mit der Zeit brüchige Knochen. Oder aber es steht irgendwann nicht mehr genügend Kalzium zur Verfügung und es werden Windeier ohne harte Kalkschale gebildet.
Durch die ständige Beanspruchung des Legedarms wird dessen Schleimhaut überreizt – häufig sind dann Entzündungen die Folge. Bei einer Legedarmentzündung ist oft zu beobachten, dass die Weibchen sogenannte Schichteier legen, also Gebilde, die in ihrem Aussehen an Eier erinnern, aber eigentlich ein Klumpen aus Entzündungsrückständen ist. Solche Schichteier verweilen mitunter im Körper und können dann die Ursache für lebensbedrohliche Infektionen sein.
Darüber hinaus ist bei einem durch das Dauerlegen erschöpften Vogelweibchen die Gefahr recht groß, dass es plötzlich an einer Legenot leidet und ein Ei somit nicht mehr aus eigener Kraft legen kann. Ebenso steigt das Risiko, dass das verausgabte Vogelweibchen einen Kloakenvorfall erleidet. Dieser ist sogar für an sich gesunde Vögel extrem gefährlich und häufig tödlich. Tritt er bei einem entkräfteten Weibchen auf, ist das Leben des Tiers in sehr großer Gefahr.
Wie negativ sich das Dauerlegen auf die körperliche Verfassung und damit auf die durchschnittliche Lebenserwartung auswirkt, zeigt ein Blick auf Haushühner. Dürfen sie unter optimalen Bedingungen leben, also mit Freilauf, guter Nahrung und einem sicheren Stall, dann können sie 5 bis 10 Jahre alt werden. Die Hennen legen dann jedoch keineswegs täglich Eier. Anders verhält es sich bei den auf Turbo-Legeleistung gezüchteten Legehennen. Sie produzieren Tag für Tag Eier – zu Lasten ihrer Gesundheit. Das Höchstalter von Legehennen, die an sich nichts anderes als Haushühner sind, liegt bei gerade einmal 20 Monaten, viele sterben sogar deutlich früher. Dies sollte jedem Vogelhalter zu denken geben, der der Ansicht ist, ein Legezwang bei Wellensittichen sei vielleicht ja gar nicht so schlimm …
Einem Legezwang entgegenwirken
Das extreme Eierlegen sollte möglichst rasch unterbunden werden. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Tierärzte können den betroffenen Weibchen ein männliches Geschlechtshormon per Spritze verabreichen, danach stoppt die Eiproduktion in aller Regel sofort. Doch wie alle Medikamente können auch diese Hormonmittel massive Nebenwirkungen haben. Deshalb ist eine solche Hormontherapie oftmals heikel. Ein Beispiel hierfür schildert der Erfahrungsbericht der Wellensittichhalterin Elena Körner: bitte hier klicken. Es ist also immer sinnvoll, bei einer Hormonbehandlung im Einzelfall abzuwägen, ob die mit dem Legezwang einhergehenden Risiken oder die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen des Medikaments als gefährlicher einzustufen sind. Lassen Sie sich diesbezüglich unbedingt von einem vogelkundigen Tierarzt beraten und nicht etwa von einem Tierarzt ohne Spezialisierung auf die Behandlung von Vögeln.
Hilfreich kann in Bezug auf den Legezwang auch ein Besuch beim Tierheilpraktiker sein. Manche pflanzlichen Mittel unterstützen den Körper des Vogelweibchens und können so dafür sorgen, dass dem allgemeinen Erschöpfungszustand entgegengewirkt wird. Sehr wichtig ist außerdem, sich durch einen Vogelexperten – das kann ein vogelkundiger Tierarzt sein – zu den Haltungsbedingungen beraten zu lassen. Denn in den allermeisten Fällen hilft nur eine dauerhafte Änderung der Haltungsumstände, um einen Legezwang abzumildern oder zu beseitigen.
Zu beachten ist ferner, dass den sehr legewütigen Weibchen kein Zugang zu irgendwie gearteten Nisthöhlen gewährt werden sollte. Es verbietet sich von selbst, ihnen Nistkästen anzubieten, wenn erst einmal ein Legezwang entstanden ist. Das steht dem Wunsch, Wellensittiche zu züchten, oft entgegen. Aber das Leben eines Vogels zu riskieren, indem der Legezwang zum Züchten „genutzt“ wird, wäre unverantwortlich.
Eine ausgewogene Ernährung ist für Vögel in jeder Lebenslage wichtig. Bei Weibchen mit einem übersteigerten Bruttrieb verhält es sich allerdings so, dass eine eiweißreiche Kost die Brutlust steigern oder aufrechterhalten kann. Deshalb sollte beispielsweise eiweißreiches Keimfutter – zumindest für einige Zeit – nicht mehr gereicht werden. Es ist sinnvoll, sich im Einzelfall von einem Tierarzt beraten zu lassen, wie man ein an Legezwang leidendes Weibchen idealerweise ernähren soll. Denn keinesfalls sollte die Kost so „mager“ ausfallen, dass dem ohnehin bereits überlasteten Organismus des Vogels eine zu geringe Menge Nährstoffe zugeführt wird. Es kann mitunter sinnvoll sein, einen Vogel, bei dem ein Legezwang vorliegt, mit einem Aufbaumittel und Kalzium zu versorgen. Der zurate gezogene Tierarzt kann festlegen, ob dies im individuellen Fall erforderlich ist.
Wichtig ist es zudem, für ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten zu sorgen. Ein Vogel, der gemeinsam mit seinem Partner viele Naturspielzeuge erkunden kann, ist ausgeglichener und konzentriert sich oft auf die Spielzeuge, anstatt sich verstärkt auf den Partner zu fixieren. Letzteres kann die Brutlust befördern, wohingegen vielfältige Spiel- und Beschäftigungsansätze dem entgegenwirken können.
Unterschiedliche Fallbeispiele
1. Einzeln gehaltenes Weibchen
Wellensittiche sind Schwarmvögel. Sie einzeln zu halten, ist nicht tiergerecht, siehe auch die Birds-Online-Rubrik „Gegen Einzelhaltung„. Dennoch halten leider nach wie vor etliche Menschen – teils obwohl sie es eigentlich besser wissen – Wellensittiche einzeln. Solche Einzelvögel neigen zu einer Reihe von Verhaltensauffälligkeiten, unter ihnen auch der Legezwang.
Einzeln gehaltene Weibchen genießen oft die volle Zuneigung „ihrer“ Menschen, die sie aufgrund ihrer Fehlprägung oftmals als ihre Sexualpartner ansehen. Insbesondere wenn die Vögel es mögen, von ihren Bezugspersonen gekrault und gestreichelt zu werden, kann die Situation rasch eskalieren. Gerät ein solches Weibchen in Einzelhaltung stark in Brutstimmung, lässt sich oft Folgendes beobachten: Während der Halter sich mit seinem Vogel beschäftigt und vielleicht sogar gerade krault, nimmt das Weibchen die Paarungsstellung ein. Leider finden manche Menschen das niedlich und streicheln dann über den Rücken des Weibchens. Schlimmer könnte es nicht laufen, weil dadurch ein Paarungsakt simuliert wird – und dem folgt dann oft die Eiablage. Weil dieser innige Kontakt zum Vogel für etliche Halter angenehm ist, wehren sie ihn nicht ab und fördern so ohne es zu wollen oft die Entstehung eines Legezwangs, ohne dass dem Vogelweibchen ein arteigener Partner zur Seite steht.
2. Im Paar oder Schwarm gehaltenes Weibchen
Wellensittichweibchen, die mit einem männlichen Partner oder in einem kleinen Vogelschwarm gehalten werden, sind oft ähnlich anfällig für das Entwickeln eines Legezwangs. Nicht in jedem Fall stehen den Tieren Nistplätze zur Verfügung, weshalb viele Halter davon ausgehen, dass ihre Vögel nicht zur Brut schreiten werden. Trotzdem geschieht es häufig, dass die Tiere in Brutstimmung geraten. Dann werden in Ermangelung geeigneter Nisthöhlen die Eier nicht selten in der Ecke des Käfigs auf den Boden gelegt. Ähnlich beliebt sind verschiedene Plätze in Freiflugzimmern, darunter Ecken in Regalen. Beobachtet man Paarungsakte bei seinen Vögeln, ist dies an sich noch kein Alarmsignal. Erst wenn ein Weibchen damit beginnt, sehr große Kotballen abzusetzen, zeichnet sich sehr wahrscheinlich der Beginn einer Legephase ab. Dann sollte sehr genau darauf geachtet werden, dass sich daraus in den kommenden Wochen kein Legezwang entwickelt.
Titelbild dieser Seite © G.A. Pontrandolfo