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Hüterich
Im Juli 2015 lernte ich Hüterich kennen. Das damals bereits erwachsene Vogelmännchen lebte mit fünf Gefährten bei einer tierlieben jungen Frau. Weil ihr Sommerurlaub bevorstand, kontaktierte sie mich mit der Bitte, ihre Vögel während ihrer Abwesenheit zu pflegen. Drei Wochen verbrachten die sechs munteren Sittiche in meinem Vogelzimmer. Während dieser Zeit war Hüterich immer fröhlich und er konnte sehr akrobatisch fliegen und klettern. Zwei Jahre später waren seine Freunde und er nochmals meine Feriengäste, danach sah ich ihn einige Jahre nicht mehr. Zwei seiner Freunde starben in der darauffolgenden Zeit, mit den drei verbliebenen Freunden lebte er eine ganze Weile im Norden Deutschlands. Dorthin hatte er umziehen müssen, weil sich im Leben seiner Halterin gravierende Veränderungen ergeben hatten.
Mit der Zeit konnte Hüterich zunehmend schlechter fliegen. Immer wieder brachen Schwungfedern ab und er konnte mit seinen drei Gefährten kaum mehr mithalten. Oft stürzte er ab und wurde schließlich sehr schreckhaft. Kein Wunder, es muss für ihn eine schwierige Situation gewesen sein. Dass es so nicht mehr weitergehen konnte, war für seine Halterin klar. Ihr war es sehr wichtig, dass es dem Vogel rundherum gut geht. Aber er schien trotz all ihrer Bemühungen unglücklich zu sein. Sie sprach mit mir über seine Lage und ich sagte zu, ihn aufzunehmen. In meinem für gehandicapte Vögel speziell eingerichteten Vogelzimmer würde er sich besser zurechtfinden, hofften wir. Am 18. Juli 2021 zog er ein und er fühlte sich ganz offenkundig augenblicklich wohl.
Er zeigte sich völlig unbeeindruckt davon, dass er plötzlich in einer neuen Umgebung war. Dieses Vogelzimmer kannte er noch nicht, weil ich in der Zwischenzeit auch umgezogen war. Sofort nahm er ganz selbstbewusst Kontakt zu den anderen Vögeln auf, zwitscherte und begutachtete die Weibchen aus der Nähe. Bisher hatte er nur mit Männchen zusammengelebt und er war somit nie einsam. Doch von Weibchen umgeben zu sein, gefiel ihm auf der Stelle, das konnte man deutlich sehen.
Seither lässt er keine Gelegenheit aus, um mit den Mädels zu flirten. Eine feste Partnerin hat er allerdings nicht, vielmehr scheint er die Abwechslung zu lieben. Mel, Naya und zu deren Lebzeiten auch Brit, Sue und Alana – er mag beziehungsweise mochte sie alle. Dass einige der Damen eigentlich einen festen Partner haben, stört ihn nicht. Die jeweiligen Partner lassen sich zum Glück ebenfalls nicht dadurch reizen, dass Hüterich mit ihren Gefährtinnen „fremdflirtet“. Jeder mag den grauen Vogelmann, er ist mit allen Männchen befreundet.
Weil es viele Klettermöglichkeiten gibt, machen ihm die Flugschwierigkeiten inzwischen kaum mehr etwas aus. Klappt es mal nicht, einen begehrten Platz anzufliegen, klettert Hüterich eben dorthin. Er ist gelassen und entspannt, vermutlich weil er weiß, dass er hier keine Einschränkungen hat und außerdem von vielen Vögeln umgeben ist, von denen einige wie er selbst nicht gut fliegen können. Die Entscheidung, sich von ihrem Schützling zu trennen, um ihm ein erfülltes Leben zu ermöglichen, war für seine frühere Halterin sicher nicht leicht. Doch sie geschah aus Tierliebe und für Hüterich war es die richtige Wahl. Seinen Namen hat ihm übrigens seine frühere Besitzerin gegeben, ich habe ihn nach seinem Einzug in mein Vogelzimmer nicht umbenannt.
Hüterichs Farbschlag nennt sich normal in grau.