Mel

Mel im Alter weniger Monate, sie war schwer von ihrer Viruserkrankung gezeichnet.
Mel im Alter weniger Monate, sie war schwer von ihrer Viruserkrankung gezeichnet.

Bereits kurz nachdem sie aus ihrem Ei geschlüpft war, ereilte diese Vogeldame ein trauriges Schicksal: Sie steckte sich – vermutlich bei ihren Eltern – an und erkrankte an einer Virusinfektion, die nie mehr heilbar sein würde. Viele Jungvögel überstehen dies nicht, doch sie überlebte und wuchs zu einem ansonsten gesunden Jungvogel heran. Nur leider war ihr Gefieder sehr lückenhaft, was für Infektionen mit Polyomaviren, die die Französische Mauser hervorrufen, oder mit Circoviren, die eine Erkrankung namens PBFD verursachen, typisch ist. Etliche ihrer über 100 Schwarmgefährten, mit denen sie in einer Küche lebte, zeigten ganz ähnliche Befiederungsstörungen. Zudem war ihrer Halterin die Situation über den Kopf gewachsen. Sie wusste, dass sie nicht mehr dazu in der Lage war, dermaßen viele Wellensittiche so zu betreuen, wie sie es verdient hätten. Deshalb holte sie sich Hilfe bei Tierschützern.

Mel im Porträt.
Mel im Porträt.

Der damals noch existierende Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland e. V. (VWFD) wurde damit betraut, die Vögel jener Frau in Obhut zu nehmen und zu vermitteln. Für den Verein war das alles andere als einfach. Von jetzt auf gleich für weit über 100 Tiere neue Halter zu finden, ist an sich schon nicht leicht. Noch dazu mussten die Vögel bis zur Vermittlung irgendwo unterkommen – und leider waren wie bereits erläutert etliche durch die Befiederungsstörungen flugunfähig. Gehandicapte Wellensittiche zu vermitteln, ist zwar kein Ding der Unmöglichkeit. Nur war es in diesem Fall bedauerlicherweise obendrein so, dass im Schwarm eine ansteckende und nicht heilbare Erkrankung vorhanden war. Damit stand der VWFD vor einer wirklich komplizierten Aufgabe.

Mel nach dem Baden mit nassen Federn an der Brust.
Mel nach dem Baden mit nassen Federn an der Brust.

Schon seit vielen Jahren halte ich fast ausschließlich gehandicapte und/oder chronisch kranke Vögel, darunter auch Tiere, die an PBFD oder der Französischen Mauser erkrankt waren. Also kontaktierte ich den VWFD und bot meine Hilfe an. Für sechs Vögel sollte es bei mir einen vorübergehenden Pflegeplatz geben – mit der Option, ein bis zwei besonders schwer gehandicapte Wellensittiche dauerhaft selbst zu behalten. Wir einigten uns darauf, dass die restlichen vier oder fünf Vögel vermittelt werden sollten. Am 13. August 2019 trafen meine sechs Schützlinge bei mir ein, nachdem sie kurz zuvor von einem vogelkundigen Tierarzt gründlich untersucht worden waren – ebenso wie all ihre Schwarmgefährten in vielen anderen Teilen Nordrhein-Westfalens.

Ihren Gefährten Barry (links) verlor Mel leider nach einigen Monaten, weil er viel zu jung starb.
Ihren Gefährten Barry (links) verlor Mel leider nach einigen Monaten, weil er viel zu jung starb.

Bedauerlicherweise hatte sich gezeigt, dass in dem Vogelschwarm Trichomonaden um sich griffen. Gegen diese inneren Parasiten mussten demnach alle Vögel behandelt werden, darunter meine sechs Pflegetiere. Hinzu kam, dass sie unter einem Befall mit Räudemilben litten. Auch gegen diesen gingen wir mit Medikamenten vor. Damit meine eigenen Sittiche sich nicht mit den Parasiten infizieren würden, mussten die sechs Pflegevögel erst einmal einige Wochen in Quarantäne bleiben. So hatte ich die Gelegenheit, sie sehr genau in Augenschein zu nehmen. Innerhalb weniger Tage wurde mir klar, dass der am schwersten gehandicapte Vogel das junge Männchen Barry war. Es war offensichtlich, dass er kaum eine Chance auf eine Vermittlung haben würde, weshalb ich den VWFD darüber informierte, dass ich ihn adoptieren möchte. Der kleine Vogelmann hatte allerdings eine Freundin: die schöne Mel, um die es in diesem Beitrag geht. Wir wollten die beiden jungen Liebenden nicht trennen, weshalb auch das zu diesem Zeitpunkt erst wenige Monate alte Weibchen einen festen Platz in meinem Vogelzimmer in Aussicht gestellt bekam.

Heute hat Mel viele intakte Federn, kann aber nach wie vor nur schlecht fliegen.
Heute hat Mel viele intakte Federn, kann aber nach wie vor nur schlecht fliegen.

Anfangs hatte Mel keine Schwung- und Schwanzfedern. Wie ihr Partner Barry konnte sie nicht fliegen. Sie nahm die Klettermöglichkeiten im Vogelzimmer, in das sie nach der Quarantäne gemeinsam mit ihrem Mann und den vier weiteren Pflegevögeln einziehen durfte, sehr gern an. Das große Kletternetz hatte es ihr besonders angetan. Aber auch auf der Weidenkugel saß sie damals gern, weil sich Barry dort mit Vorliebe aufgehalten hat. Die beiden Vögel kuschelten ständig und kraulten einander das Köpfchen. Es war so schön anzusehen und sie blieben auch dann noch ein Paar, nachdem Mel längst mehr Federn gewachsen waren und sie ein wenig flattern konnte. Immer wieder kehrte sie nach ihren Ausflügen durchs Vogelzimmer zu ihrem Barry zurück. Bis zu dem traurigen Tag Anfang Mai 2020, als er viel zu jung aus dem Leben schied. Man konnte spüren, wie sehr Mel litt, als sie sich von den sterblichen Überresten ihres Gefährten verabschiedete. Sie und Barry waren ein echtes Traumpaar gewesen.

Mit Alana (links) verbindet Mel eine 'Mädels-Freundschaft'.
Mit Alana (links) verbindet Mel eine ‚Mädels-Freundschaft‘.

Im Vogelschwarm hatte Mel inzwischen aber zum Glück längst viele weitere Freunde gefunden. Außerdem waren die vier anderen Pflegevögel nicht vermittelbar gewesen, über Monate hatte sich niemand für sie interessiert. Deshalb waren sie im Spätwinter 2020 offiziell auch Schwarmmitglieder geworden. Vor allem mit Sue, die ebenfalls aus jener Rettungsaktion im Sommer 2019 stammt, versteht sich Mel sehr gut. Oft sitzt sie außerdem auf dem Fenster-Kletterplatz neben Alana und schaut mit ihr gemeinsam nach draußen. Dass im Frühling 2020 Ringeltauben in einem Baum direkt vor dem Fenster gebrütet haben, fand Mel besonders spannend. Sie hat sich regelrecht die Nase an der Fensterscheibe platt gedrückt, damit ihr ja nichts entging. Abgesehen davon, dass sie extrem neugierig ist, ist die hübsche Wellensittichdame – ihr Farbschlag nennt sich Rainbow – überaus freundlich und sanftmütig. Ich habe sie noch nie mit irgendwem streiten sehen. Mit den anderen Männchen des Schwarms flirtet sie zwar hier und da, aber seit Barrys Tod hat sie keinen Wellensittichmann mehr nahe an sich herangelassen. Es bleibt abzuwarten, ob sie irgendwann wieder einen neuen festen Partner akzeptieren wird.

Hintergrundbild für Ihr Smartphone

Von Mel gibt es ein Wallpaper für Ihr Smartphone, siehe Bildersammlung.