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Satyr, adoptiert am 1. Dezember ’06, † 21. Oktober ’07
Für den im Jahr 2003 geschlüpften grünen Wellensittichhahn hatte das Schicksal eine kleine Gemeinheit parat: Er würde nie fliegen können, das stand schon bei seiner Geburt fest, denn eine leider nachträglich nicht mehr zu ergründende Ursache hatte zu einer Knochendeformation geführt, die sein Schicksal für immer besiegeln sollte. Wegen seiner schiefen Wirbelsäule konnte er seine Flügel nicht richtig bewegen und deshalb nicht fliegen. Trotzdem sollte er sein Glück auf ungewöhnliche Weise finden und ein erfülltes Leben führen. Doch fangen wir am Anfang an.
Seine frühere Halterin hatte ganz bewusst nach flugunfähigen Vögeln gesucht, um den durch infolge einer Fehlbehandlung seitdem gehandicapten Welli-Mann Batzi mit dem Neuzugang zu vergesellschaften. Sie kontaktieren viele verschiedene Züchter in ihrer Umgebung, um ein flugunfähiges Weibchen zu finden – leider ohne Erfolg. Bei einem Züchter wurde sie aber letztlich doch fündig, wenn auch nicht in Bezug auf ein Weibchen. Dieser Herr hatte zwei flugunfähige Vogelmännchen abzugeben. Es war großes Glück für Satyr und seinen Freund Woodstock, dass Silke und ihr Freund sie zu sich nach Hause holten. Wer weiß, was sonst aus ihnen geworden wäre. Der Züchter erzählte nämlich etwas über Kollegen, die ihre flugunfähigen Vögel an Schlangenhalter verkaufen, damit sie als Schlangenfutter dienen können …
Satyr lebte glücklich und zufrieden in einer riesengroßen Voliere gemeinsam mit mehreren Artgenossen – und natürlich mit dem bereits erwähnten Batzi, der ebenfalls kurz zuvor von Silke aufgenommen worden war, nachdem er sechs Jahre als Einzelvogel gelebt hatte. Unter den anderen Vögeln hatte Satyr viele Freunde und er führte ein erfülltes Leben. Dann änderten sich jedoch die Lebensumstände der Halter und damit diejenigen des freundlichen Wellensittichs.
Dass er sein liebevolles Zuhause Ende 2006 verlassen musste, geschah nicht etwa deshalb, weil Silke ihrer Vögel überdrüssig geworden wäre. Sie musste sich schweren Herzens von ihnen trennen, weil sie kurze Zeit später ins weit entfernte Ausland – genau genommen nach Australien – zog und ihre geliebten Wellensittiche leider nicht mitnehmen konnte.
Was Satyrs gesundheitliche Probleme anging, wurde Silke anfangs gesagt, er hätte sich die Wirbelsäule gebrochen, woher seine Flugunfähigkeit und die schiefe Körperhaltung rühren würden. Das ist jedoch höchst unwahrscheinlich, denn bei einem Bruch der Wirbelsäule ist normalerweise eine Querschnittlähmung die Folge – und eine solche ist bei Satyr zum Glück nicht eingetreten. Ein später von meinem Vogel-Facharzt angefertigtes Röntgenbild gab uns Aufschluss darüber, dass die Wirbelsäule des Vogels in alle erdenklichen Richtungen verdreht war. Höchstwahrscheinlich hatte er als Embryo schief im Ei gelegen, weshalb sich im Laufe seines weiteren Wachstums diese extreme Fehlstellung ergeben hatte, die zu einem Gehfehler und völliger Flugunfähigkeit geführt hatte. Mit letzter Gewissheit ließ sich dies aber nicht aus Ursache festlegen, es könnte auch einen anderen Grund für seine massive Wirbelsäulenfehlstellung gegeben haben.
Doch was auch immer der Auslöser gewesen sein mag, war an sich egal. Viel wichtiger war es, die Folgen der Fehlstellung im Blick zu halten. Beim Atmen bewegte sich sein Brustkorb so stark, dass man hätte meinen können, Satyr leide an einer schweren Infektion der Atemwege. Aber das war zum Glück nicht der Fall, es hatte viel mehr damit zu tun, dass durch die Wirbelsäulendeformation seine Atmungsorgane verschoben waren und er immer gegen einen Widerstand atmen musste. Obwohl es dramatisch aussah, hatte Satyr glücklicherweise keine Schmerzen, er konnte sein Leben genießen. Wenn er sang, war er mit vollem Körpereinsatz bei der Sache. Um die Töne hervorzubringen, wippte er in einer für ihn typischen Weise mit dem Oberkörper, was gewissermaßen sein Markenzeichen war.
Es war sein zuvorkommendes und sanftmütiges Wesen, das ihn bei allen anderen Vögeln des Schwarms beliebt machte. Jeder hielt sich gern in seiner Nähe auf und zwitscherte mit ihm an seinem Lieblingsplatz, der sich auf der großen Korkröhre befand. Nie habe ich gesehen, dass Satyr in einen Streit verwickelt gewesen wäre. Er war stattdessen stets jedermanns Liebling, was sowohl für die Weibchen als auch für die Männchen meines Vogelschwarms galt. Als die beiden schwer gehandicapten und sehr jungen Vögel Indira und Shiva Anfang 2007 ins Vogelzimmer einzogen, nahm er vor allem das Männchen Shiva sofort unter seine Fittiche und freundete sich eng mit ihm an. Es war rührend, wie Satyr dem neuen und noch sehr unsicheren Gefährten die schönsten Plätze zeigte und mit ihm Schulter an Schulter Lieder vortrug.
Seine zahlreichen und zudem großen Kehltupfen verliehen Satyr ein ganz besonderes Aussehen. Beinahe wirkte es so, als hätte er einen Vollbart, weil seine untere Gesichtshälfte fast durchgängig schwarz gefärbt war. Er war ein stattlicher Standardsittich und er trug das dafür typische, ausgesprochen voluminöse Kopfgefieder. Leider waren seine Augen aufgrund der extrem langen Federn auf den meisten Fotos kaum zu sehen, was ich sehr schade finde, denn gerade die Augen eines Vogels sind immer besonders ausdrucksstark. Noch problematischer war, dass seine langen Federn mitunter die Augen reizten, sodass es zu Entzündungen kam. Deshalb kürzte ich die Federn in Augennähe nach jeder Mauser ein wenig, damit sie keine gesundheitlichen Probleme mehr hervorriefen. Satyrs Farbschlag nennt sich Opalin Hellgrün.
Im Oktober 2007 durchlebte er eine ausgesprochen heftige Mauser, die sein Immunsystem schwächte. Infolgedessen fing er sich eine Infektion mit Umgebungsbakterien und Candida-Pilzen ein, die wir rasch zu behandeln begannen. Sogar ein Röntgenbild ließ ich anfertigen, um sicherzugehen, dass keine weiteren Erkrankungen wie beispielsweise ein Tumorwachstum vorlagen. Es ging Satyr dank der Medikamente bald ein wenig besser, aber dennoch starb er plötzlich am Morgen des 21. Oktober 2007 im Kreise seiner gefiederten Freunde. Ich werde diesen charmanten, bedächtigen und überaus liebenswürdigen kleinen Kerl nie vergessen.
Bedeutung des Namens
Mich interessierte es sehr, wie Satyr zu seinem Namen gekommen war. Silke erklärte es mir gern: „Er bekam seinen Namen in Anlehnung an eine norwegische Black-Metal-Band namens Satyricon, deren Sänger Satyr heißt. Wir hatten zu der Zeit des Einzugs öfter diese Band laufen und Satyr ging voll drauf ab. Anders kann man es fast nicht beschreiben. Er sang lauthals mit und sobald man auf die Pausetaste drückte, war absolute Stille, sobald man wieder Play drückte, war er wieder in seinem Element. Diese extreme Form der gesanglichen Verausgabung war nur bei dieser einen Band zu beobachten. Bei anderen Bands sang er auch weiter, sobald die Musik aus war. Das brachte ihm den Namen Satyr.“