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Kara, aufgenommen am 13. August ’19, adoptiert am 28. März ’20, † 12. Oktober ’21
Bedauerlicherweise geraten immer wieder Tiere in Not, manchmal ganze Vogelschwärme. Ein solcher Fall ereignete sich im Sommer 2019. Im August des genannten Jahres hörte ich davon, dass der damals noch existierende Verein der Wellensittich-Freunde Deutschland e. V. (VWFD) sich in eine Vogelrettung einbrachte. Mehr als 100 Wellensittiche mussten untergebracht werden – ein echter Kraftakt. Allein die schiere Menge der Vögel machte es schon schwierig, so viele Plätze für eine dauerhafte Unterbringung zu finden. Doch damit nicht genug, etliche der Wellensittiche zeigten leider massive Befiederungsstörungen. Damit war klar, dass sie entweder an der Französischen Mauser (hervorgerufen durch Polyomaviren) oder an PBFD (verursacht durch Circoviren) erkrankt waren. Beide Krankheiten sind nicht heilbar und außerdem ansteckend. Das heißt, wer bereits Vögel hält, sollte nicht einfach infizierte Tiere zu seinen Schützlingen setzen, da es so zwangsläufig zu einer Ansteckung kommen würde. Der VWFD musste also Vogelhalter finden, deren eigene Tiere bereits Träger dieser Virusinfektionen sind. Dummerweise war das aber noch nicht alles an Problemen. Die Gefiederdefekte sehen nicht nur etwas sonderbar aus, sondern sorgen in vielen Fällen dafür, dass die betroffenen Vögel flugunfähig sind. Das heißt im Klartext: Die Tierschützer mussten ansteckend erkrankte, teils ziemlich struppig aussehende und noch dazu körperlich stark eingeschränkte Wellensittiche vermitteln.
Weil ich selbst seit vielen Jahren fast ausschließlich gehandicapte und/oder chronisch kranke Vögel halte, war mir gleich bewusst, wie schwierig die Situation für den VWFD war. Ich kontaktierte den Verein und bot an, als vorübergehende Pflegestelle einen Platz für sechs Vögel bereitzustellen – mit der Option, ein bis zwei besonders schwer gehandicapte Wellensittiche dauerhaft selbst zu behalten. Die restlichen vier oder fünf Vögel würden vermittelt werden, so lautete damals die Absprache. Vor den Virusinfektionen hatte ich keine Angst, weil sie ohnehin in meinem Vogelschwarm um sich greifen. Deshalb sollten die sechs Pflegevögel nach einer angemessenen Quarantänezeit – sie könnten ja noch weitere Krankheiten „an Bord“ haben – so lange in meinem behindertengerechten Vogelzimmer wohnen, bis sich ein endgültiges Zuhause für sie finden würde. Unter diesen sechs Wellensittichen, die am 13. August 2019 bei mir eintrafen, war auch Kara.
Tatsächlich hatte eine gründliche tierärztliche Untersuchung kurz zuvor gezeigt, dass die Wellensittiche an einem Befall mit Räudemilben litten. In dem Bestand, aus dem sie stammten, waren außerdem bei einigen Vögeln Trichomonaden nachgewiesen worden. Damit war es wahrscheinlich, dass auch meine sechs Schützlinge diese Parasiten in sich trugen, weshalb sie dagegen behandelt werden mussten.
Schon nach wenigen Tagen in Quarantäne zeigte sich, dass der am schwersten gehandicapte Vogel das junge Männchen Barry war. Seine Chancen auf eine Vermittlung standen schlecht, deshalb sollte er den im Vorfeld zugesagten Dauerplatz in meinem Vogelzimmer bekommen. Weil er damals mit Mel verpaart war und sie nicht getrennt werden sollten, bekam dieses flugunfähige Weibchen den zweiten freien Platz. Noch immer ging ich davon aus, dass Kara und die anderen drei Weibchen langfristig woanders untergebracht werden würden. Aber die Dinge entwickelten sich nicht wie gewünscht, die vier Hennen waren „Ladenhüter“. Monatelang lebten sie bei mir und wickelten mich mehr und mehr um den Finger. Es kam, wie es kommen musste: Am 28. März 2020 unterzeichnete ich die Adoptionspapiere für meine verbliebenen Pflegevögel aus dem Notfall 2019; Mel und Barry hatte ich bereits ein wenig früher offiziell aufgenommen.
Nun war Kara also Teil des Birds-Online-Schwarms geworden. Und das war auch gut so, denn erst später zeigte sich, wie schwer sie gehandicapt war. Woanders hätte sie wegen ihrer sich zusehends verstärkenden Befiederungsstörung und der damit verbundenen Flugunfähigkeit kaum eine Chance gehabt. Dass es für sie so schwierig werden würde, damit habe ich anfangs nicht gerechnet. Als sie im August 2019 bei mir ankam, hatte sie zwar keine Schwung- und Schwanzfedern und konnte deshalb schon damals nicht fliegen. Doch ihr restliches Gefieder war völlig intakt. Einige Monate später kam sie in die Jugendmauser – danach war nichts mehr wie vorher. Nahezu am gesamten Rumpf wuchsen die Federn nicht mehr nach. Deshalb sah Kara seitdem aus wie ein „Brathähnchen mit Helm“ – am Kopf, auf dem oberen Rücken und auf der Oberseite der Flügel hatte sie noch immer ihre hübschen, zartgelben Federn. Die hellblauen Federn am Bauch waren leider völlig verschwunden.
Obwohl sie durch diesen schweren Gefiederdefekt stark eingeschränkt war, sprühte Kara vor Lebensfreude und Tatendrang. Ich habe noch nie ein fröhlicheres Wellensittichweibchen erlebt als sie. Nahezu jeden Tag begrüßte sie mit einem Ritual: Nach dem Aufstehen rannte sie kopfnickend und aus voller Kehle zwitschernd durch das Vogelzimmer. Obwohl sie winzig war, steckte sie voller Energie.
Dem war übrigens auch ihr Name zu verdanken. Meine sechs Pflegevögel waren nicht einmal 24 Stunden bei mir, da hatte eines der seinerzeit noch namenlosen Tiere schon genug davon, im Quarantänekäfig ausharren zu müssen: Die winzige zartgelbe Vogeldame versuchte mit aller Kraft auszubrechen. Weil ihr das nicht gelang, wurde sie irgendwann ungehalten und starrte dermaßen böse und konzentriert das Käfiggitter an, dass sie mich mit ihrer entschlossenen Haltung an Supergirl erinnert hat. Es fehlte nur noch der Hitzeblick zum Durchschmoren der Gitterstäbe! Dieses kleine Energiebündel hieß fortan Kara, angelehnt an Kara Zor-El, also die Superheldin vom fiktiven Planeten Krypton.
Im Vogelzimmer saß sie am liebsten so weit oben wie möglich, weshalb ich diverse Sicherungen einbauen musste. Denn weil sie für einen Wellensittich überdurchschnittlich klein war, konnte sie sich durch allerlei Lücken zwängen und so an Seilen und dergleichen dermaßen weit nach oben klettern, dass ich sie mehrmals ganz oben auf einer der höchsten Schaukeln fand. Todesmutig sprang sie aus fast zwei Metern Höhe runter. Dass sie sich dabei nicht verletzt hat, grenzte an ein Wunder. Dank der eigens wegen ihr installierten Sicherheitsvorkehrungen konnte sie diese hohen Stellen nicht mehr erreichen – was sie ziemlich nervte. Sie versuchte es nach wie vor häufig und war immer sauer, wenn es nicht klappte, nach oben zu gelangen.
Anders als viele andere Vögel mit ähnlich schweren Befiederungsstörungen war Kara nicht wasserscheu. Sie liebte es, ausgiebig zu baden und verjagte dabei gern auch mal die großen Katharinasittiche aus der Badeschüssel. Karas enormes Selbstbewusstsein überraschte mich immer wieder. In Sachen Männchen hatte sie nicht allzu viel Glück. Sie wurde nie die feste Partnerin eines der Herren, für sie war Kara die Zweit- beziehungsweise Drittfrau … Als Ole noch lebte, hat er häufig mit ihr geflirtet, aber mehr wurde nie daraus. Später setzte sich dies mit Helios fort. Den anderen Vögeln gegenüber war Kara lieb und umgänglich. Mit Brit verband sie eine recht enge „Mädels-Freundschaft“. Aus ihrem Ei geschlüpft ist Kara übrigens wahrscheinlich Anfang bis Mitte Juni 2019. Sie starb Mitte Oktober ohne Vorwarnung. Am Morgen war sie noch fit, wurde am Nachmittag zusehends müder und am späten Abend war klar, dass sie die Nacht nicht überleben würde. Um kurz nach Mitternacht schlief sie für immer ein, höchstwahrscheinlich infolge des schweren Verlaufs ihrer PBFD-Erkrankung. Ich vermisse sie sehr und bin froh, dass ich ihr begegnen durfte.