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110 Mannheimer Wellensittiche in Not (Aktion abgeschlossen)

Achtung: Diese Aktion ist abgeschlossen. Es wird kein Zuhause mehr für die Tiere gesucht.
Unzählige Wellensittiche in winzigen Boxen
Unzählige Wellensittiche in winzigen Boxen

Alle Jahre wieder … Vor etwas mehr als einem Jahr gab es bereits eine recht große Vogelrettungsaktion, bei der es um 43 Wellis in Not gegangen war. Jetzt, im Jahr 2006, hat das Schicksal erneut zugeschlagen, und das in einer noch größeren Dimension. Meine damalige Vereinskollegin Dagi aus dem VWFD* wurde im November vom Tierheim Mannheim um Hilfe gebeten. Die Stadt Mannheim erhoffte sich von ihr fachkundige Unterstützung bei einer Rettungsaktion für circa 150 Wellensittiche, die im Großraum Mannheim in eine Notsituation geraten waren. Dagi ließ sich nicht lange bitten und wurde so bald darauf Zeugin der desolaten Zustände, in denen die Vögel ihr Dasein bisher hatten fristen müssen.

So haben die Wellensittiche in der Messie-Wohnung gelebt
So haben die Wellensittiche in der Messie-Wohnung gelebt

Sie lebten in einer Wohnung, die extrem verdreckt war und in der sich etliche Vögel frei bewegen konnten. Es gab neben diesen im Freiflug gehaltenen Tieren auch Wellensittiche, die in Käfigen untergebracht waren; diese waren sehr klein. Solch winzige Käfige verwenden echte Tierfreunde allenfalls zu Transportzwecken, um einen kranken Vogel zum Tierarzt zu bringen, aber nicht, um darin mehrere Vögel unterzubringen und obendrein unkontrolliert brüten zu lassen. Alles war durcheinander, die Käfige teils übereinandergestapelt.

Aus nach Angaben der Halterin anfangs vier bis sechs Wellensittichen waren in der Obhut der Frau weit über 100 Wellensittiche geworden. Weil die Vögel tun und lassen konnten, was sie wollten, haben sie in Besteckkästen, in Schränken und sogar in Löchern im Putz der Wände gebrütet, die sie mit ihren Schnäbeln selbst gegraben hatten. Und überall war Dreck, entsetzlich viel Dreck. Die Gesundheitsbehörde erklärte, die Besitzerin der Tiere sei das, was man landläufig unter einem Messie verstehe, siehe Begriffs-Erläuterung. Wichtig ist hierbei, dass Messies keine bösen Menschen sind, sondern Menschen, die unter einem zwanghaften Verhalten leiden.

Noch im ehemaligen Zuhause, warten diese Vögel auf ihren Abtransport
Noch im ehemaligen Zuhause, warten diese Vögel auf ihren Abtransport

Weil Dagi schon im Vorfeld befürchtet hatte, die Rettungsaktion für die Vögel, deren genaue Zahl sich am Ende auf 113 belaufen sollte, könne mit hohen Tierarztkosten verbunden sein, wandte sie sich an den Vorstand des VWFD, um zu klären, ob der Verein helfen könne. Weil der VWFD im vergangenen Jahr sehr viele Erfahrungen mit der 43-Wellis-Aktion gesammelt hatte, war es rasch beschlossene Sache, dass zehn der Mannheimer Vögel auf Vereinskosten auf die ansteckenden Virusinfektionen PBFD und Französische Mauser untersucht werden sollten. Der Amtstierarzt ordnete seinerseits einen Test auf Psittakose an, der zum Glück negativ ausfiel. Allerdings wurden in den Abstrichen einiger Vögel potenziell krankmachende Bakterien gefunden, weshalb die Tiere medikamentös behandelt werden mussten.

Im Tierheim legten einige Vögel nach ihrer Rettung weiterhin Eier
Im Tierheim legten einige Vögel nach ihrer Rettung weiterhin Eier

Die Vögel konnten in der Zwischenzeit aus der Wohnung geholt werden und wurden vorübergehend im Mannheimer Tierheim untergebracht. Zwar ging es den Tieren so weit gut, aber bei genauer Betrachtung der Vögel fielen Dagi einige Vögel auf, die teils schwer gehandicapt waren, weil ihnen Gliedmaßen fehlten. Es gab Vögel, die anstelle eines intakten Beines nur noch einen Stumpf hatten oder gar Tiere mit schweren Hüftschäden – und sogar einen Vogel ohne Flügel. Diese Tiere und natürlich auch alle anderen brauchten so bald wie nur irgend möglich ein Zuhause.

Bevor die Tiere vermittelt werden konnten, musste natürlich geklärt sein, ob tatsächlich keine ansteckenden Erkrankungen vorlagen. Deshalb hat der Amtstierarzt vorsichtshalber noch einmal einen Psittakosetest angeordnet. Ferner wurden die Tiere stichprobenartig auf Spulwürmer, Macrorhabdiose (Megabakterien), Trichomonaden und Pilze untersucht. Drei der zehn auf Anweisung des VWFD untersuchten Vögel hatten Räudemilben, wogegen sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.

Auch einige sehr junge Vögel waren unter den Geretteten
Auch einige sehr junge Vögel waren unter den Geretteten

Weil der VWFD mit einem bestimmten klinischen Labor im vergangenen Jahr bei der 43-Wellis-Aktion bereits gute Erfahrungen gemacht hatte, wurden die Proben in diesem Jahr wieder dorthin geschickt. Den Tierschützern war vor allem in Bezug auf PBFD klar: Leider ist es so, dass ein einmaliger Test keine Sicherheit bezüglich des Ergebnisses bringt. Denn die Erreger der Krankheit PBFD, die Circoviren, sind sehr tückisch und nicht immer nachzuweisen. Das liegt daran, dass infizierte Vögel sie nicht ständig ausscheiden. Dadurch kann es vorkommen, dass eine Probe und das aus ihr gewonnene Testergebnis falsch-negativ ist. Aber ein Test ist besser als nichts, da war man sich sicher.

Wie zu erwarten war, sind in den darauffolgenden Wochen weitere Behandlungskosten entstanden. Das wussten die Tierschützer schon vorher, weil eine solche Rettungsaktion erfahrungsgemäß nie so abläuft, dass alle Vögel nach ihrer Rettung gesund sind und es auch bleiben. Aus eigener Erfahrung weiß ich zudem, dass Vögel aus schlechter Haltung mitunter nach dem Umzug in ihr neues Zuhause besondere Pflege brauchen, was für einen echten Tierfreund jedoch kein Problem darstellen sollte.

Buntes Treiben in der Tierheim-Voliere
Buntes Treiben in der Tierheim-Voliere

Das Mannheimer Tierheim konnte die vielen Vögel nicht beliebig lange in seinem Quarantäneraum belassen. Deshalb sollten sie möglichst rasch zu ihren neuen Besitzern vermittelt werden. Aber auch Pflegestellen, in denen vorübergehend einige Tiere unterkommen konnten, bis sie endgültig vermittelt werden konnten, wurden damals fieberhaft gesucht.

Weil ich auf die Haltung gehandicapter Vögel spezialisiert bin, war mir von vorne herein klar, dass ich zumindest dem Vogel mit dem teilweise fehlenden Flügel ein Zuhause geben wollte. Mein Vogelzimmer ist behindertengerecht eingerichtet und flugunfähige Vögel können darin weitestgehend unfallsicher untergebracht werden.

Vier der geretteten Wellensittiche
Vier der geretteten Wellensittiche
Warten auf ein neues Zuhause ...
Warten auf ein neues Zuhause …

Ursprünglicher Text: 23.12.2006, später überarbeitet und gekürzt, als die Aktion abgeschlossen war

Nachtrag vom 10.1.2007

Dieser schwer gehandicapte Vogelmann kann nicht fliegen
Dieser schwer gehandicapte Vogelmann kann nicht fliegen

Inzwischen sind fast alle Vögel vermittelt, ich selbst habe zwei der Tiere aufgenommen. Indira und Shiva sind beide gehandicapt und haben deshalb bei mir ein Zuhause gefunden. Ich bin begeistert über die Hilfsbereitschaft unzähliger Tierfreunde, die so schnell dafür gesorgt haben, dass die Tiere ein neues Leben beginnen können.

Leider hat es einige Quertreiber gegeben, die die Aktion schlecht geredet und das sofortige und ausnahmslose Einschläfern aller behinderten Vögel gefordert haben. Aber davon sollte man sich nicht beirren lassen. Die Vögel sind nicht schuld daran, dass sie unter solch miserablen Bedingungen hatten leben müssen. Sie deshalb und wegen ihrer Behinderungen einzuschläfern, wie es manche Leute am liebsten durchsetzen wollten, ist tierfeindlich und zeugt für meine Begriffe davon, dass diese Menschen ihr Gehirn nicht eingeschaltet haben, bevor sie diese ungeheuerlichen Äußerungen von sich gegeben haben.

Man schläfert nur Tiere ein, die tödlich erkrankt oder nicht aus eigener Kraft überlebensfähig sind. Alles andere verstößt nicht nur gegen die Berufsethik der Tierärzte, sondern gegen die Ethik im Allgemeinen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich meine beiden von ihren körperlichen Einschränkungen einmal abgesehen kerngesunden Vögel aufgenommen habe.

Nachtrag vom 12.1.2007

Heute habe ich erfahren, dass nur noch vier der einst über 110 Vögel ein neues Zuhause suchen. Ich bin sprachlos angesichts der Tatsache, dass so viele Vögel so schnell zu lieben Menschen ziehen konnten. Das ist ganz wunderbar! Ein großes Dankeschön an jeden, der Tiere aufgenommen hat. Schön, dass es Menschen gibt, die den armen Geschöpfen eine Chance geben!

Nachtrag vom 13.2.2007

Für die Vermittlung beschriftete Vogelkäfige im Tierheim
Für die Vermittlung beschriftete Vogelkäfige im Tierheim

Mit einiger Verspätung habe ich heute erfahren, dass sämtliche Vögel vermittelt sind. Das ist natürlich ein Grund zur Freude. Im Namen der Wellensittiche möchte ich an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle Menschen aussprechen, die sich für die Tiere eingesetzt haben, die sie umsorgt und gepflegt haben, die sie zu ihren neuen Besitzern transportiert haben, die gespendet haben und die sie bei sich aufgenommen haben. Es ist schön zu wissen, dass in Zeiten großer Not für Tiere noch so viel Hoffnung besteht!


* Das Forum des VWFD wurde im Jahr 2021 geschlossen, ebenso wie der gleichnamige Verein leider aufgelöst wurde.