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- Pollux †
Pollux, adoptiert am 25. März ’03, † 8. September ’11
Wenn man als Vogel nicht fliegen kann, ist das Leben nicht unbedingt fair zu einem. Diese Erfahrung musste der hübsche Pollux in jungen Jahren machen, was jedoch im späteren Verlauf seines Lebens zum Glück alles der Vergangenheit angehören sollte. Seit seiner Geburt Mitte 2002 schien sein weiteres Schicksal zunächst festzustehen: Er steckte sich bereits als Nestling an und erkrankte an der Französischen Mauser. Diese durch Viren verursachte Erkrankung zerstört das Gefieder der Vögel und viele betroffene Tiere können deshalb zeitlebens nicht fliegen. Doch Pollux hatte Glück und für ihn entwickelten sich die Dinge zum Positiven. Er erwischte einige Zeit später sozusagen den „Sechser im Lotto“ und gehörte zu den wenigen Vögeln, bei denen die Befiederungsstörung vollständig verschwinden und im Erwachsenenalter intakte Schwungfedern nachwachsen. Sogar das Fliegen hat er später noch erlernt. Doch fangen wir am Anfang an.
Als ich erstmals von ihm hörte, lebte Pollux, der damals noch Otto hieß, in einem kleinen Vogelschwarm, in dem es ihm richtig gut ging. Dann aber kam es zu einem Todesfall, eine seiner Gefährtinnen starb viel zu jung. Ihre leere Schaukel wurde mit einem jungen Weibchen neu besetzt, das die andere Vogeldame, mit der Pollux zusammenlebte, sofort in ihren Bann zog. Die beiden Damen gaben ein tolles Gespann ab und machten fortan gemeinsam fliegend die Gegend unsicher. Den armen gehandicapten Pollux ließen sie im wahrsten Sinne des Wortes sitzen. So sehr er sich auch bemühte, ihnen zu folgen, seine unvollständig befiederten Flügel konnten ihn damals einfach nicht tragen. Er konnte nur zusehen, wie die beiden „Mädels“ herumflogen und ihn letztlich mehr und mehr ignorierten. Für ihn als gerade geschlechtsreif gewordenen Vogelmann muss das eine zutiefst frustrierende Situation gewesen sein.
Pollux wurde zusehends trauriger und sogar ängstlicher, da er sich von den Damen allein gelassen und sehr einsam fühlte. Seine damalige Halterin konnte es irgendwann nicht mehr mit ansehen und bat mich um Hilfe bei der Vermittlung. Der Vogel sollte so schnell wie möglich in ein neues Zuhause einziehen, in dem er flugunfähige gefiederte Gesellschaft finden würde. Wie es der Zufall wollte, war in meinem Vogelschwarm noch ein Platz frei. Wir machten rasch Nägel mit Köpfen, und am 25. März 2003 zog Pollux in mein Vogelzimmer ein. Nachdem er sich ein wenig eingewöhnt hatte, tröstete er die liebenswerte Vogeldame Io, die kurz zuvor auf sehr tragische Weise ihren Partner verloren hatte. Mit ihr war er bis zu ihrem Tode zusammen und hatte danach noch einige weitere Partnerinnen, die fast alle unter mehr oder minder dramatischen Umständen ums Leben kamen. Auch mit Rana war er einige Zeit liiert und wollte mit ihr eine Familie gründen, was aber leider nicht funktionierte – sie verloren ihr Gelege.
Ab Herbst 2006 war Pollux bis an sein Lebensende mit der lebensfrohen Rohanna verpaart. Die beiden Vögel wichen einander nur selten von der Seite. Wann immer Pollux sah, dass seine geliebte Gefährtin vom Schwarmkollegen Bubi umschwirrt wurde, war er stets sofort zur Stelle, um seine Ehe und Ehre zu verteidigen. Abgesehen von diesen kurzen Eifersuchtsgefechten war er sanftmütig und stritt sich nie ernsthaft mit den anderen Vögeln. Wenn er gerade nicht mit seiner Partnerin schmuste, sang er gern mit seinen Freunden Satyr und Woodstock um die Wette. Die drei Herren saßen gern laut zwitschernd auf der Weidenkugel. Leider konnten ihm seine flugunfähigen Gesangsbrüder nicht folgen, wenn er zu einer Runde im Vogelzimmer ansetzte und losflog. Aber er kehrte immer wieder gern zu ihnen zurück.
Der zartgrüne Vogel, dessen Farbschlag als Opalin-Spangle bezeichnet wird, war schwierig zu fotografieren. Die meisten Fotos geben seine herrliche Färbung nicht exakt wider. Aber letztlich war seine Farbe ohnehin egal, denn bei ihm kam die wahre Schönheit sozusagen von innen. Pollux war ein äußerst umgänglicher und sanftmütiger kleiner Kerl, den alle anderen Vögel gern zum Freund hatten.
Wie bereits weiter oben erwähnt, gehörte Pollux zu den absoluten Glückspilzen unter seinesgleichen. Er war einer der wenigen Vögel, bei denen die schweren Gefiederstörungen der Französischen Mauser verschwinden, sodass sein Großgefieder mit zunehmendem Alter normal nachwuchs. Von Anfang 2004 an war er voll befiedert und konnte fliegen, als wäre er niemals flugunfähig gewesen. Einzig zwei kleine löchrige Stellen im Gefieder an seinen Flügeln erinnerten später noch daran, dass Pollux früher schlecht befiedert gewesen war. An diesen Stellen ragten immer einige weiße Dunen hervor, was ein wenig unordentlich und zugleich niedlich aussah. Diese weißen Schulterflecken waren gewissermaßen sein Markenzeichen. Obwohl er durch die Französische Mauser selbst nicht mehr flugunfähig war, war er doch weiterhin zeitlebens Träger der die Krankheit auslösenden Viren. Eine Heilung gibt es bei dieser Erkrankung leider nicht.
Im Sommer 2009 verfärbte sich Pollux‘ Wachshaut bräunlich und in seinem Bauch war eine Verhärtung zu spüren. Der Verdacht lag nahe, dass es sich um einen Hodentumor handeln würde, der seinen Hormonhaushalt ein wenig durcheinanderwirbelte – daher rührte die farbliche Veränderung der Nasenhaut, wie bald eine tierärztliche Untersuchung bestätigte. Doch der Tumor war lange Zeit harmlos und wuchs nicht weiter. Erst im Herbst 2011 gab es einen Wachstumsschub, der dazu führte, dass Pollux plötzlich binnen sehr kurzer Zeit Atembeschwerden zu zeigen begann, weil der Tumor von innen auf die Atmungsorgane drückte. Um ihm unnötiges Leid und einen qualvollen Erstickungstod zu ersparen, ließ ich Pollux schweren Herzens am 8. September 2011 einschläfern. Sein immer freundliches und sanftmütiges Wesen werde ich nie vergessen.
Bedeutung des Namens
Im Sternbild Zwillinge, das im Winter am nördlichen Sternenhimmel zu sehen ist, erstrahlt die 33 Lichtjahre entfernte Sonne namens Pollux. Nach diesem astronomischen Objekt habe ich meinen charmanten Vogel benannt. Dieser Name ist schon sehr alt und geschichtsträchtig. Pollux war in der römischen Mythologie der Zwillingsbruder Castors. Ihre Mutter Leda gebar die beiden Söhne, nachdem sie von Zeus (= Jupiter) verführt worden war. Er war in der Gestalt eines Schwanes zu ihr gekommen.
Hierbei ist zu beachten, dass Pollux der lateinische Name ist. Einst wurde jener der beiden Brüder im alten Griechenland Polydeukes gekannt. Dieser Originalname wäre mir für meinen Vogel dann aber doch zu kompliziert und zu lang gewesen.